Der Streit der Verhandlungskulturen: Pusher gegen Puller
Zwischen Ost - und Westeuropa verläuft eine Kulturgrenze der Ideale staatsmännischen Auftretens und Verhandelns.
Während im Westen Europas und auch in den USA die Kunst der Moderation und Mediation gepaart mit gutem Benehmen hoch im Kurs stehen (Puller-Strategie, Englisch to pull= ziehen), gilt im Osten Europas der Kurs der Härte und Kompromisslosigkeit als Zeichen staatsmännischer Kunst. (Pusher-Strategie, Englisch to push=schieben, stoßen).
Angela Merkel, die klassische Pullerin
Die Bundeskanzlerin, Angela Merkel, ist berühmt für ihre Kunst des Ausgleichs. Wenn sie mit Putin verhandelt, öffentlich mit ihm auftritt, verhält sie sich moderat und nicht verletzend. Eine Ausnahme machte sie. Als die Journalistin, Anna Politkowskaja, am 7. Oktober 2006, am Geburtstag Putins, vor ihrer Wohnung in Moskau durch mehrere Schüsse getötet wurde, trug Angela Merkel beim Treffen mit Putin schwarz und Putin war verärgert.
Ansonsten versucht sie in den zahlreichen Gesprächen (35 Telefonsitzungen und unzählige Treffen seit Putins erster Präsidentschaft im Jahre 2000) durch Zuhören und Respekt zollen, eine Atmosphäre des Vertrauens aufzubauen. Ihr Ziel: durch Verhandlungen, Missverständnisse zu vermeiden, Ziele klar zu formulieren und immer respektvoll miteinander umzugehen.
Das ist das klassische Verhalten des Pullers, so nennt die Wissenschaft der interkulturellen Kommunikation ein solches Verhalten. Der Puller setzt auf die persönliche Verbindung. Zu Beginn des Gesprächs werden Artigkeiten ausgetauscht. Erst wenn die Stimmung gut ist - und das kann lange dauern - geht er /sie zur Sachebene über.
So verfahren die EU-Staats- und Regierungschefs gerne. Man trifft sich am Abend zum gemütlichen Essen und am Morgen danach beginnt die Sacharbeit. Auch die deutsch-französische Freundschaft nutzt dieses Modell. Ob Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, Francois Mitterrand und Helmuth Kohl, Valéry Giscard d´Estaing und Helmut Schmidt oder Angela Merkel und Nikola Sarkozy, das politische Verhältnis wuchs mit der persönlichen Beziehung. Dazu traf man sich häufig und gerne auch in herzlicher Atmosphäre.
Der Puller macht Geschäfte und Politik gerne mit Freunden. In den guten Kreisen Russland ist das auch üblich, aber Putin kommt aus anderen Kreisen.
Putin - Krieger aus dem Stamm der Pusher
Putin kommt aus der Pushing Kultur. Beim Pushing werden folgende Strategien verwendet: Man betrachtet seinen Verhandlungspartner als Gegner und nicht als Partner. Beim Pushing werden angewendet: Überzeugen, logisches Denken, Fakten präsentieren, denken in Gegensätzen, Behauptungen.
Ein klassisches Beispiel für einen Pusher ist Andrei Gromyko, langjähriger Außenminister der Sowjetunion. Er verkörperte die Pushing-Kultur in Russland auf das Typischste. Auf der Ebene der UN nannten sie ihn „grim-Grom" und er ist bis heute das Vorbild der diplomatischen Kultur Russlands. Mit stets grimmiger Miene (im Dienst) sprach er in der UNO grundsätzlich nur Russisch. Sein Lieblingswort bei Abstimmungen lautete: Njet (Nein). Und so nannten sie ihn den Genossen „Njet" oder eben „grim-Grom".
In seiner Freizeit jedoch verwandelte sich der Mann mit der steinernen Maske, mit der Dauerverweigerung in der Generalversammlung, der dort prinzipiell kein Englisch sprach, zuweilen in einen „Beau vivant". Da liebte er einen guten Wein und war bekannt für witzige und humorvolle Bemerkungen. Er sei „fit und locker, oft fröhlich", beschrieben Journalisten Gromyko 1989 als Privatmann. Des Rätsels Lösung: im Dienst musste Gromyko sich als Pusher verhalten, privat durfte und konnte er auch ganz anders.
Putin und das System „Sprung in der (Schall-) Platte"
Auch Putin ist auf Pusher Kurs, dienstlich. Wenn es um die Krim-Frage oder um die Ukraine geht, wendet er das System „Sprung in der (Schall-) Platte" an. Er wiederholt unendlich oft dieselben Forderungen, die da u.a. lauten: die Krim gehört zu Russland, die Regierung in der Ukraine ist nicht legitim, wir haben keine Soldaten in der Ukraine, wir liefern keine Waffen, etc..
So manchen im Westen macht das mürbe. Geben wir ihm doch die Krim, sagten sie resigniert, dann gibt er Ruhe. Aber, dann kam die Geschichte mit der Ukraine. Pusher sind hartnäckig und das „Neu-Russia Projekt" erfordert einen langen Atem.
Auf so manchen vom Puller-Stamm macht die Putin-Pusher-Strategie sogar Eindruck. In Übertragung seiner eigenen Denkweise sieht er darin die Reaktion einer gekränkten Persönlichkeit oder eines Staatswesens auf erlittene Kränkungen (ständiges Rückdrängen des Machtraumes Russlands) und bittet um mehr Respekt im Umgang mit dem Kontrahenten (Forderung von Ex-Außenminister Genscher).
Das ist ein Beispiel für ein klassisches Missverständnis im Bereich der interkulturellen Kommunikation. Ein Signal (hier ein Pushing-Signal) wird anderes verstanden als gemeint.
Putin als Puller
Bei der Feier seines 60.sten Geburtstags sahen wir Putin im herzlichen Gespräch mit manch westlichem Politiker, z.B. mit dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder. Die Herzlichkeit auf beiden Seiten erschien manchem als Verrat. Gab Putin gegenüber Gerhard Schröder - und auch gegenüber einem anwesenden Politiker von der CDU - doch den jovialen Freund und Gönner (ganz der Puller), während er vorher die Krim annektiert hatte und gleichzeitig die Ukraine in den Bürgerkrieg trieb, selbiges allerdings mit eisiger Miene und lange Zeit kompromisslos, eben ganz der Pusher.
Im Dienst und mit dem Blick auf Russlands Innenpolitik gibt Putin immer den Pusher und nimmt auch nur solche ernst.
Wenn der Pusher mit dem Puller ....
Dem Pusher gilt der Puller als verweichlicht, als Schwätzer. Zur Not macht er das „Palaver" mit, man trifft sich, lächelt verkrampft oder spöttisch, aber nichts ändert sich. Ein Beispiel: Stalin ließ dem Vatikan anlässlich dessen Wunsches, an der Jalta Konferenz auf der Krim im Jahre 1945 teilzunehmen, die spöttische Frage ausrichten, wie viele Bataillone der Vatikan denn habe.
Eine Verhaltensänderung Russlands in der Ukraine Frage gab es erst, als sich die NATO Chefs Anfang September 2014 in Wales trafen und laut über eine stärkere Präsenz in Osteuropa nachdachten. Es kam zu einem Waffenstillstand in der Ukraine. Die NATO hatte eine Pusher-Strategie gewählt (Fakten präsentieren). Mitte September begannen NATO Staaten und Verbündete unter Führung der USA ein Manöver im Westen der Ukraine (Fakten) und Putin zog Tage später den Großteil seiner Truppen aus der Ukraine ab.
Diese Verhandlungs-Strategie nennt das NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren, ein Erfolgskonzept der Kommunikation seit den 70 er Jahren) sich angleichen (pacen). Man gleicht sich kommunikativ seinem Gegenüber an. Das Ziel dieser Strategie: Vertrauen und Respekt erhalten.
Fazit: Schmerzhafte Selbsterkenntnisse für den Westen
und Putin hat noch Chancen: never say never
Dieses Verhalten ist für viele im Westen auch eine schmerzliche Strategie, weil wir vielleicht Abschied nehmen müssen vom „Darling-Bild" des Waldimir Putin. Gerne sprechen Therapeuten vom Kontakt auf Augenhöhe mit dem Patienten, Diplomaten vom respektvollen Umgang miteinander, der Contenance, Friedensbewegte vom Vertrauen auf die Vernunft und die Kraft des Urvertrauens.
Was aber, wenn das Gegenüber damit trickst. Die Abteilung „Desinformation" in Russland das alles nur witzig findet?
Dann ist die Zeit auch für den zivilen Widerstand gekommen.
Dann müssen wir uns vielleicht davon verabschieden, Orden von Putin entgegen zu nehmen und ihm artige Komplimente zu machen. Und auch auf Bildern lächelnd mit ihm zu poussieren, ist dann nicht mehr angesagt, wenn der andere (Putin) das nur macht, um uns über den Tisch zu ziehen, eine Kriegslist sozusagen.
Aber, „never say never", vielleicht überrascht uns Putin mit einer neuerlichen Kehrtwende in der Politik. Vielleicht bewahrheitet sich das Wort eines gestandenen Demokraten wie Gerhard Schröder, Putin sei ein lupenreinerer Demokrat. Wie gesagt: never say never.
Es folgt: Teil III: Wann ist ein Mann ein Mann in Russland und die Folgen für die Politik
Zwischen Ost - und Westeuropa verläuft eine Kulturgrenze der Ideale staatsmännischen Auftretens und Verhandelns.
Während im Westen Europas und auch in den USA die Kunst der Moderation und Mediation gepaart mit gutem Benehmen hoch im Kurs stehen (Puller-Strategie, Englisch to pull= ziehen), gilt im Osten Europas der Kurs der Härte und Kompromisslosigkeit als Zeichen staatsmännischer Kunst. (Pusher-Strategie, Englisch to push=schieben, stoßen).
Angela Merkel, die klassische Pullerin
Die Bundeskanzlerin, Angela Merkel, ist berühmt für ihre Kunst des Ausgleichs. Wenn sie mit Putin verhandelt, öffentlich mit ihm auftritt, verhält sie sich moderat und nicht verletzend. Eine Ausnahme machte sie. Als die Journalistin, Anna Politkowskaja, am 7. Oktober 2006, am Geburtstag Putins, vor ihrer Wohnung in Moskau durch mehrere Schüsse getötet wurde, trug Angela Merkel beim Treffen mit Putin schwarz und Putin war verärgert.
Ansonsten versucht sie in den zahlreichen Gesprächen (35 Telefonsitzungen und unzählige Treffen seit Putins erster Präsidentschaft im Jahre 2000) durch Zuhören und Respekt zollen, eine Atmosphäre des Vertrauens aufzubauen. Ihr Ziel: durch Verhandlungen, Missverständnisse zu vermeiden, Ziele klar zu formulieren und immer respektvoll miteinander umzugehen.
Das ist das klassische Verhalten des Pullers, so nennt die Wissenschaft der interkulturellen Kommunikation ein solches Verhalten. Der Puller setzt auf die persönliche Verbindung. Zu Beginn des Gesprächs werden Artigkeiten ausgetauscht. Erst wenn die Stimmung gut ist - und das kann lange dauern - geht er /sie zur Sachebene über.
So verfahren die EU-Staats- und Regierungschefs gerne. Man trifft sich am Abend zum gemütlichen Essen und am Morgen danach beginnt die Sacharbeit. Auch die deutsch-französische Freundschaft nutzt dieses Modell. Ob Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, Francois Mitterrand und Helmuth Kohl, Valéry Giscard d´Estaing und Helmut Schmidt oder Angela Merkel und Nikola Sarkozy, das politische Verhältnis wuchs mit der persönlichen Beziehung. Dazu traf man sich häufig und gerne auch in herzlicher Atmosphäre.
Der Puller macht Geschäfte und Politik gerne mit Freunden. In den guten Kreisen Russland ist das auch üblich, aber Putin kommt aus anderen Kreisen.
Putin - Krieger aus dem Stamm der Pusher
Putin kommt aus der Pushing Kultur. Beim Pushing werden folgende Strategien verwendet: Man betrachtet seinen Verhandlungspartner als Gegner und nicht als Partner. Beim Pushing werden angewendet: Überzeugen, logisches Denken, Fakten präsentieren, denken in Gegensätzen, Behauptungen.
Ein klassisches Beispiel für einen Pusher ist Andrei Gromyko, langjähriger Außenminister der Sowjetunion. Er verkörperte die Pushing-Kultur in Russland auf das Typischste. Auf der Ebene der UN nannten sie ihn „grim-Grom" und er ist bis heute das Vorbild der diplomatischen Kultur Russlands. Mit stets grimmiger Miene (im Dienst) sprach er in der UNO grundsätzlich nur Russisch. Sein Lieblingswort bei Abstimmungen lautete: Njet (Nein). Und so nannten sie ihn den Genossen „Njet" oder eben „grim-Grom".
In seiner Freizeit jedoch verwandelte sich der Mann mit der steinernen Maske, mit der Dauerverweigerung in der Generalversammlung, der dort prinzipiell kein Englisch sprach, zuweilen in einen „Beau vivant". Da liebte er einen guten Wein und war bekannt für witzige und humorvolle Bemerkungen. Er sei „fit und locker, oft fröhlich", beschrieben Journalisten Gromyko 1989 als Privatmann. Des Rätsels Lösung: im Dienst musste Gromyko sich als Pusher verhalten, privat durfte und konnte er auch ganz anders.
Putin und das System „Sprung in der (Schall-) Platte"
Auch Putin ist auf Pusher Kurs, dienstlich. Wenn es um die Krim-Frage oder um die Ukraine geht, wendet er das System „Sprung in der (Schall-) Platte" an. Er wiederholt unendlich oft dieselben Forderungen, die da u.a. lauten: die Krim gehört zu Russland, die Regierung in der Ukraine ist nicht legitim, wir haben keine Soldaten in der Ukraine, wir liefern keine Waffen, etc..
So manchen im Westen macht das mürbe. Geben wir ihm doch die Krim, sagten sie resigniert, dann gibt er Ruhe. Aber, dann kam die Geschichte mit der Ukraine. Pusher sind hartnäckig und das „Neu-Russia Projekt" erfordert einen langen Atem.
Auf so manchen vom Puller-Stamm macht die Putin-Pusher-Strategie sogar Eindruck. In Übertragung seiner eigenen Denkweise sieht er darin die Reaktion einer gekränkten Persönlichkeit oder eines Staatswesens auf erlittene Kränkungen (ständiges Rückdrängen des Machtraumes Russlands) und bittet um mehr Respekt im Umgang mit dem Kontrahenten (Forderung von Ex-Außenminister Genscher).
Das ist ein Beispiel für ein klassisches Missverständnis im Bereich der interkulturellen Kommunikation. Ein Signal (hier ein Pushing-Signal) wird anderes verstanden als gemeint.
Putin als Puller
Bei der Feier seines 60.sten Geburtstags sahen wir Putin im herzlichen Gespräch mit manch westlichem Politiker, z.B. mit dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder. Die Herzlichkeit auf beiden Seiten erschien manchem als Verrat. Gab Putin gegenüber Gerhard Schröder - und auch gegenüber einem anwesenden Politiker von der CDU - doch den jovialen Freund und Gönner (ganz der Puller), während er vorher die Krim annektiert hatte und gleichzeitig die Ukraine in den Bürgerkrieg trieb, selbiges allerdings mit eisiger Miene und lange Zeit kompromisslos, eben ganz der Pusher.
Im Dienst und mit dem Blick auf Russlands Innenpolitik gibt Putin immer den Pusher und nimmt auch nur solche ernst.
Wenn der Pusher mit dem Puller ....
Dem Pusher gilt der Puller als verweichlicht, als Schwätzer. Zur Not macht er das „Palaver" mit, man trifft sich, lächelt verkrampft oder spöttisch, aber nichts ändert sich. Ein Beispiel: Stalin ließ dem Vatikan anlässlich dessen Wunsches, an der Jalta Konferenz auf der Krim im Jahre 1945 teilzunehmen, die spöttische Frage ausrichten, wie viele Bataillone der Vatikan denn habe.
Eine Verhaltensänderung Russlands in der Ukraine Frage gab es erst, als sich die NATO Chefs Anfang September 2014 in Wales trafen und laut über eine stärkere Präsenz in Osteuropa nachdachten. Es kam zu einem Waffenstillstand in der Ukraine. Die NATO hatte eine Pusher-Strategie gewählt (Fakten präsentieren). Mitte September begannen NATO Staaten und Verbündete unter Führung der USA ein Manöver im Westen der Ukraine (Fakten) und Putin zog Tage später den Großteil seiner Truppen aus der Ukraine ab.
Diese Verhandlungs-Strategie nennt das NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren, ein Erfolgskonzept der Kommunikation seit den 70 er Jahren) sich angleichen (pacen). Man gleicht sich kommunikativ seinem Gegenüber an. Das Ziel dieser Strategie: Vertrauen und Respekt erhalten.
Fazit: Schmerzhafte Selbsterkenntnisse für den Westen
und Putin hat noch Chancen: never say never
Dieses Verhalten ist für viele im Westen auch eine schmerzliche Strategie, weil wir vielleicht Abschied nehmen müssen vom „Darling-Bild" des Waldimir Putin. Gerne sprechen Therapeuten vom Kontakt auf Augenhöhe mit dem Patienten, Diplomaten vom respektvollen Umgang miteinander, der Contenance, Friedensbewegte vom Vertrauen auf die Vernunft und die Kraft des Urvertrauens.
Was aber, wenn das Gegenüber damit trickst. Die Abteilung „Desinformation" in Russland das alles nur witzig findet?
Dann ist die Zeit auch für den zivilen Widerstand gekommen.
Dann müssen wir uns vielleicht davon verabschieden, Orden von Putin entgegen zu nehmen und ihm artige Komplimente zu machen. Und auch auf Bildern lächelnd mit ihm zu poussieren, ist dann nicht mehr angesagt, wenn der andere (Putin) das nur macht, um uns über den Tisch zu ziehen, eine Kriegslist sozusagen.
Aber, „never say never", vielleicht überrascht uns Putin mit einer neuerlichen Kehrtwende in der Politik. Vielleicht bewahrheitet sich das Wort eines gestandenen Demokraten wie Gerhard Schröder, Putin sei ein lupenreinerer Demokrat. Wie gesagt: never say never.
Es folgt: Teil III: Wann ist ein Mann ein Mann in Russland und die Folgen für die Politik