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Die Klima-Ohnmacht und die Macht des Einzelnen

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UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ist nach eigenen Worten angesichts der mangelnden Tatkraft, um den Klimawandel anzugehen, „alarmiert‟. Darum hat er Regierungschefs der ganzen Welt zu einem UN-Klimagipfel nach New York eingeladen. Er will endlich die Ambitionen erhöhen und die Weichen für ein bedeutungsvolles internationales Abkommen nächstes Jahr in Paris stellen.

Ki-moons Sorge ist verständlich. Seit Jahren bestätigt uns die Wissenschaft, dass wir die Lösungen zur Hand haben, wir müssten nur jetzt entschieden handeln, um nicht an den Punkt zu kommen, an dem die Auswirkungen unkontrollierbar und absolut katastrophal würden.

Was hält uns also seit Jahren zurück?

Die Antwort: einige wenige, dafür aber die profitabelsten und mächtigsten Konzerne der Geschichte. Die fossile Brennstoffindustrie schafft es seit Jahren erfolgreich, Klimapolitik zu blockieren, um weiter mit business-as-usual ihren Profit zu maximieren. Wenn es nach den Fossilen geht, steuern wir volle Kraft voraus auf 6-8 ℃ globale Erwärmung zu. Das würde große Teile des Planeten unbewohnbar machen, zu Massenaussterben führen und die Menschheit auf einige überlebende Gruppen in den Polarregionen dezimieren.

Um unter der 2-Grad-Marke zu bleiben, dürfen 80 Prozent der derzeit bekannten fossilen Reserven nie verbrannt werden. Die Industrie investiert dennoch jedes Jahr Milliarden, um noch mehr Kohle, Öl und Gas zu erschließen, macht dabei weder vor der Arktis noch der Tiefsee halt, tritt Menschenrechte mit Füßen und beraubt selbst in Deutschland noch im 21. Jahrhundert Menschen ihrer Heimat.

Dennoch wird diese Industrie mit öffentlichen Geldern unterstützt.

Ein gutes Beispiel für das Problem sind die insgesamt 86 deutschen Städte und Kommunen, die Aktien an RWE, der größten CO2-Schleuder Europas, haben. Insgesamt halten sie etwa 25% des Konzerns. Die Bürgermeister der Städte Köln, Essen, Eschweiler und Hürth sitzen sogar im Aufsichtsrat der RWE Power AG. Auch Mitglieder diverser Landräte sind dabei.

Es ist unverantwortlich, dass öffentliche Gelder einen Konzern unterstützen, dessen Geschäftsmodell darauf ausgerichtet ist, unser Klima zu zerstören. Doch damit nicht genug. Hinzu kommt, dass Kommunen diese Investitionen auch einem hohen finanziellen Risiko aussetzen.

Angesehene Expert*innen wie der britische Ökonom Lord Stern, die britischen Banken HSBC und Citi, die Internationale Energieagentur, Standard & Poor's, Forbes, Bloomberg, die London School of Economics und die Smith School der Universität Oxford warnen, dass Kohle-, Öl-, und Gasunternehmen massiv überbewertet sind. Sie drohen als sogenannte stranded assets an Wert zu verlieren. HSBC spricht beispielsweise davon, dass 40-60% des Börsenkapitals von Öl- und Gasunternehmen auf dem Spiel stehen.

Stranded assets sind bei RWE bereits Realität. Im letzten Jahr musste RWE € 4,8 Milliarden auf seine Kohle- und Gaskraftwerke abschreiben und machte Verluste von über € 2,8 Milliarden. Das hat die Kommunen hart getroffen. Die Prognosen für 2014 sehen ähnlich schlecht aus. Trotzdem halten viele Kommunen an RWE fest. Auch das Geld von Städten, die nicht direkt in fossile Brennstoffunternehmen investieren, landet oft über ihre Banken oder Pensionsfonds in den Taschen der Kohle-, Öl- und Gasindustrie.

Letztendlich hängt die Zukunft unserer Zivilisation davon ab, ob wir Konzernen wie RWE weiterhin erlauben unsere Politik zu diktieren.

Wenn wir es schaffen wollen, uns von ihrer Vereinnahmung zu lösen, braucht es mehr als einen UN-Gipfel. Menschen auf der ganzen Welt nehmen daher das Gipfeltreffen zum Anlass und forderten am letzten Wochenende Taten statt Worte.

Mehr als 2.800 People's Climate Aktionen fanden in über 150 Ländern statt. In Städten wie Lagos, Rio, Neu Delhi und Berlin gab es große und bunte Demonstrationen. Daneben stehen jede Menge kleinere Aktionen.

Im ländlichen Papua-Neuguinea organisierte eine Grundschule zum Beispiel einen Spaziergang zu einem seit kurzem überschwemmten Leuchtturm. In Australien, begaben sich Menschen auf eine 700 km Wanderung zum Parlament nach Canberra. Die Maasai organisierten einen Protestmarsch durch ihre bedrohte Heimat, die Serengeti. In New York selbst war die größte Klimademo aller Zeiten mit 400.000 Menschen.

Kanzlerin Merkel hat ihre Teilnahme an Ban Ki-moons Gipfel bereits abgesagt. Sie wird an morgen stattdessen eine Rede vor deutschen Industriellen halten. Ein deutliches Zeichen, wo ihre Prioritäten liegen. Um so wichtiger, dass wir auch in Deutschland zeigen, dass wir endlich Taten sehen wollen.

Kein Geld für Kohle, Öl und Gas

Viele Menschen haben sich direkt bei sich vor Ort für handfeste Taten eingesetzt, indem sie
ihre Städten, Kommunen und anderen öffentlichen Institutionen auffordern, mit ihren Investitionen nicht länger die fossile Industrie zu unterstüzen.

Diese Forderung nach einem Investitionsstopp oder Divestment, ist Teil einer rasant wachsenden, internationalen Bewegung, der sich immer mehr Universitäten, Kommunen, religiöses Institutionen wie der Weltkirchenrat, Stiftungen und andere wie die britische Ärztevereinigung angeschlossen haben.

Die Fossil Free Bewegung genießt außerdem Unterstützung von einflussreichen Persönlichkeiten wie Nobelpreisträger Desmond Tutu, Weltbankpräsident Jim Kim und UN-Klimachefin Christiana Figueres.

Der Klimawandel scheint von der eigenen Lebensrealität aus oft schwer anzugehen. Die Finanzaktivitäten der eigenen Stadt, Uni oder Kirche sind dagegen konkret, und direkt vor Ort beeinflussbar. So kann jede*r Interessierte*r eine lokale Kampagne starten und einen offenen Brief an den Stadtrat und den*die Bürgermeister*in schicken.

Divestment wird die fossile Industrie nicht in den Bankrott treiben. Aber sie kann ihrem Ruf schaden, ihr die soziale Akzeptanz und damit politischen Einfluss entziehen. Damit wir endlich die Weichen für eine lebenswerte Zukunft stellen können.

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