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Beteiligungskultur - die nächste große Digitalisierungswelle

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Nachdem ich vor fünf Jahren zusammen mit meinem Koautor Jan Söderqvist The Futurica Trilogy fertiggestellt hatte, dachte ich, eine ganze Menge über die Internetrevolution gesagt zu haben, was aus Sicht eines Cyberphilosophen gesagt werden kann. Auftrag erfüllt.

Das war aber bevor ich Burning Man besuchte, das größte und berühmteste Beteiligungsfestival der Welt, das in der Wüste von Nevada in den Vereinigten Staaten stattfindet. Erst dort wurde mir nämlich bewusst, was für mich als außenstehender Zuschauer offensichtlich ist: An Burning Man lässt sich erstmals deutlich erkennen, wie sich das Internet in der realen statt in der virtuellen Welt manifestiert.

Das Festival mag zwar eine exakte Kopie des Internets sein, aber es findet in der Realität statt (sehen Sie bei Google Earth selbst nach). Ich hatte somit das Thema unseres neuen, vierten Buchs ganz klar vor Augen. Warum ereignet sich dieses große und einflussreiche Phänomen gerade jetzt, und welche unsichtbaren Kräfte stehen hinter ihm?

Interessanterweise ist Burning Man für die über 70.000 Teilnehmer nichts Geringeres als eine heilige Veranstaltung auf geweihtem Boden. Das Gegenkultur-Festival ist so ähnlich wie eine Pilgerreise nach Mekka oder Jerusalem, nur für Webunternehmer aus dem Silicon Valley.

Ohne diese Veranstaltung würde es Google, Facebook oder Twitter in der uns bekannten Form kaum geben. Wenn wir also die aktuelle Internetrevolution und ihre enormen Auswirkungen auf die Gesellschaft und uns selbst verstehen wollen, müssen wir verstehen, was Burning Man und seine über 30 schnell expandierenden Ableger weltweit bedeuten.

Wenn wir die Zukunft von überhaupt Allem verstehen wollen, müssen wir von der Beteiligungskultur lernen. Und hier muss an erster Stelle die Erkenntnis stehen, dass es sich bei den aktuellen Ereignissen in Wirklichkeit um ein schnell wachsendes religiöses Phänomen handelt - einen besseren Begriff gibt es dafür noch nicht.

Die Digital Natives von heute wuchsen online auf und begreifen folglich die Onlinewelt als primär und die reale Welt als sekundär - genau entgegengesetzt zu der Sichtweise ihrer Eltern also.

Die ältere Generation kann noch so viele moralische Bedenken gegen dieses veränderte Weltbild haben, die Sichtweise der Jüngeren wird sich einfach deshalb durchsetzen, weil es sich als attraktiver und wichtiger erwiesen hat, die virtuelle Welt als die Reale zu betrachten.

Und die Geschichte lehrt, dass es kein Zurück mehr gibt. Das bedeutet aber nicht, dass die reale Welt den Digital Natives egal wäre. Sie sehen sie nur aus einer gänzlich anderen Perspektive und betrachten sie hauptsächlich als Spielwiese, auf der virtuelle Fantasien inszeniert werden können.

Die reale Welt wurde zu einer zweiten, weiteren Realität, in welcher die Internetgeneration jedoch Co-Creation und Beteiligungskultur in ihren Fokus stellt. Willkommen in der Welt des Syntheismus, wie dieses neue Weltbild und diese soziale Bewegung treffend zu benennen sind.

Die Digital Natives haben den Individualismus und Atomismus ihrer Eltern über Bord geworfen und das alte kartesianische Weltbild durch ein metaphysisches System von Relationalismus und Netzwerkdynamik ersetzt. Alle Forderungen nach Umweltbewusstsein und Integrität der digitalen Welt seitens der neuen Physik und den neuen politischen Bewegungen leiten sich von dieser neuen metaphysischen Überzeugung ab und gehen in ihr auf.

Wir Philosophen mussten nur noch das Kaninchen aus dem Hut zaubern und den Syntheismus als Religion der Wahl der Internetgeneration ausrufen. Syntheismus bedeutet soviel wie: Gott kann erschaffen werden. Und es heißt nicht mehr: Irgendein Gott ist unser Schöpfer. Historisch betrachtet ist der Syntheismus die Überwindung der alten, überholten Trennung von Theismus und Atheismus.

Erst in der Praxis, und jetzt auch in der Theorie. Heraus kam dabei unser neues Buch Syntheism - Creating God in The Internet Age. Und wir sind sicher nicht die Einzigen: Ernst zu nehmende Geistesgrößen wie Simon Critchley und Quentin Meillassoux sowie die Pop-Philosophen Sam Harris und Alain de Botton haben sich auch erst vor Kurzem erfolgreich mit genau dieser Frage beschäftigt.

Wir greifen hier ein dringendes Verlangen nach neuer Spiritualität jenseits von Christentum und New Age auf. Es konnte jedoch niemand vorhersehen, dass das Internet selbst sowohl Werkzeug als auch Metapher dieser Bewegung sein würde.

Die dramatischen Auswirkungen dieser Revolution auf unsere Kommunikation und unsere Arbeitswelt können gar nicht überschätzt werden. Das Individuum ist tot, lang lebe die Masse/Schwarm. Bei allem, was von jetzt an wichtig ist, geht es um Interaktivität, Co-Creation, Zusammenarbeit (ein geliebtes Kind hat viele Namen), und in erster Linie handelt es sich dabei um einen kulturellen und keinen technologischen Wandel.

Natürlich beruht dieser Wandel auf technologischen Veränderungen, er ist aber dennoch hauptsächlich kultureller Natur. So ist es schon eine riesige Herausforderung, Heerscharen professioneller Kommunikatoren beizubringen, lieber mit Freunden zu kommunizieren (haben sie überhaupt welche?) als Fremde zu belästigen.

Unternehmen geben im Jahr 2014 noch immer Hunderte Milliarden Dollar für Werbung aus, obwohl die korrekte Bezeichnung für Online-Werbung „Spam" lautet, wir alle sie hassen und augenblicklich löschen.

Die einzige Chance, in diesem neuen Umfeld zu überleben, heißt, zu lernen und sich schnell anzupassen oder andernfalls in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden und unterzugehen. Der Schlüssel zum Verständnis dieses Paradigmenwechsels liegt in der schnell wachsenden und wichtigsten Online-Community der Welt, Burning Man und seinen zahlreichen Ablegern.

Vielleicht sind wir die ersten Philosophen, die dieses Phänomen ernst nehmen. Aber wir sind bestimmt nicht die Letzten. Wie viele gute Freunde haben Sie, die im Silicon Valley leben und arbeiten?

Bei wie vielen Verbrennungsaktionen waren Sie und Ihre besten Freunde bereits dabei? Heute bestimmen diese Fragen, wie viel Macht und Einfluss Sie auf die Welt ausüben. Und auf Ihre eigene Zukunft.




Syntheism -Creating God in The Internet Age von Alexander Bard und Jan Söderqvist erscheint am 4. Oktober. Am Freitag, 10. Oktober 2014 hält Bard auch einen Vortrag mit dem Titel "The Hero is Dead - Long Live the Heroic Crowd" auf der Frankfurt StoryDrive der Frankfurter Buchmesse.

Das Programm im Überblick und weitere Informationen zu StoryDrive 2014 gibt es unter www.buchmesse.de/storydrive



In diesem Zusammenhang verlosen die Huffington Post Deutschland und StoryDrive vier Tageskarten für den Business Club der Frankfurter Buchmesse am 10. Oktober. Wenn Sie daran teilnehmen möchten, schreiben Sie uns unter Blog@Huffingtonpost.de - Betreff: Alexander Bard - Story Drive. Aus allen Einsendungen wählen wir zufällig vier Gewinner.






Der Business Club der Frankfurter Buchmesse: ein Ort der Inspiration und Konzentration mitten im quirligen Messegeschehen

Die Idee: Mit der Gründung des Business Clubs will die Frankfurter Buchmesse Unternehmen, Verlegern, Gründern, Vordenkern, Experten und Visionären ideale Voraussetzungen für ihr Geschäft bieten. Der Club bietet ein umfangreiches Paket an Annehmlichkeiten und Leistungen: Teilnehmer können das angenehme Ambiente des Clubs für Gespräche und Verhandlungen nutzen. Außerdem können sie sich ein Veranstaltungs- und Networking-Programm flexibel nach ihren individuellen Bedürfnissen und Wünschen zusammenstellen. Das Programm umfasst hochkarätig besetzte Präsentationen, Workshops und Master Classes sowie die drei Konferenzen Rights Directors Meeting, CONTEC und StoryDrive. Weitere Bestandteile sind persönliche Beratungsgespräche, geführte thematische Touren über die Messe und Speed-Dating-Angebote. www.buchmesse.de/businessclub

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