In streng hierarchisch oder behördlich organisierten Arbeitskontexten wie Militär, Schule, Politik oder Krankenhaus ist es nicht allzu schwer ein guter Chef zu sein. Es spielt schließlich eine eher untergeordnete Rolle, ob man als Vorgesetzter seinen Job gut macht oder nicht. Das Organigramm regelt die Machtverhältnisse, Karriere ist mehr eine Frage von Zugehörigkeitsdauer als von Qualifikation; und die Beliebtheit bei Untergebenen ist maximal ein Kollateral-Nutzen.
Bevor jetzt aber all die Studienräte, Unteroffiziere, Professoren oder Staatssekretäre Schnappatmung bekommen: Natürlich gibt es solche und solche, man gönne mir meine polarisierende Einleitung ins Thema.
Work-Life? Unsinn!
Was ich nämlich eigentlich gerne in die Runde der Interessierten werfen möchte, ist die Frage nach den Eigenschaften, die gute Vorgesetzte - auch in den oben genannten, aber vor allem in weniger althergebrachten beruflichen Umfeldern - an den Tag legen müssen, damit ihre Mitarbeiter sonntagabends nicht mit Bauchschmerzen an den darauffolgenden Morgen denken; und damit Menschen auch jahrzehntelang ohne gesundheitlich Schaden zu nehmen Leistung als Arbeitnehmer bringen können; und damit Arbeit endlich das ist, was sie sein muss: nicht das mühlsteinartige Gegengewicht, das als „Work" dem „Life" die Balance fast unmöglich macht, sondern ein ganz wesentlicher und erfüllender Teil des eigenen Lebens sein darf.
Bevor ich weiter ins Thema einsteige, eine kleine Vorbemerkung. Ich spreche im Folgenden von „Chefs" und „er" und meine damit dennoch ausdrücklich auch „Chefin" und „sie". Das ist das Gegenteil von gendergerechter Sprache, ich weiß. Da ich mich jedoch auch und vor allem auf eigene Ansichten und Erfahrungen stütze, sei mir auch das verziehen. Nun aber zum eigentlichen Thema.
Du kannst das!
Bevor ich meine erste Führungsaufgabe antrat, fragte ich meinen damaligen Chef, wie ich mir das theoretische Rüstzeug dafür aneignen könne. Seine Antwort bestand nicht aus Buch-Tipps, Blog-Empfehlungen oder Weiterbildungs-Kursen, sondern lautete lapidar: „Du kannst das." Dafür bin ich ihm noch heute dankbar, wenngleich das mit dem Können nach wie vor die Frage ist - und auch sein darf, und auch sein muss.
Denn eines ist ganz bestimmt eine elementare Softskill einer guten Führungskraft: die Fähigkeit zur Reflexion und die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Werken und Wirken. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass man Leadership nicht erlernen kann. Niemals. Man kann sich allenfalls Mechanismen aneignen, die in die (bereits angelegten) eigenen Fähigkeiten einzahlen: Das „Wie" kann man z.T. erlernen, das „Was" muss man bereits besitzen.
Zum Was gehört beispielsweise die Fähigkeit zur Empathie. Wem diese ganz oder in Teilen abgeht, dessen Leadership enttarnt sich in Windeseile selbst als das, was sie dann sein muss: Methodenfetischismus als Versuch eigene Unzulänglichkeiten zu verschleiern. Das muss scheitern.
Nicht jeder muss führen
Oft hört man von sehr fähigen Nachwuchs-Managern, dass sie nun bereit seien für eine Führungsaufgabe. Sie wollen ihren Lebenslauf nun endlich auch mit den begehrten Attributen „disziplinarische Führung" und „Teamverantwortung" anreichern. Dabei übersehen sie häufig, dass sie sich damit vielleicht gar keinen Gefallen tun.
Führungskraft zu sein hat nämlich erheblich mehr Downsides als Highlights. Konsens herrscht in Branchen, die starken Veränderungsprozessen unterworfen sind, eher selten bis nie. Es gilt also permanent Unzufriedenheit und Unsicherheit zu moderieren und dabei gleichzeitig Zuversicht auszustrahlen und eine Richtung vorzugeben.
Zudem sind viele exzellente Fachkräfte nicht unbedingt auch gute Chefs. Man kennt die Anekdote vom Schraubendreher: Was passiert, wenn man den besten aller Schraubendreher zum Chef aller Schraubendreher macht? Man hat einen exzellenten Schraubendreher weniger, dafür aber einen schlechten Chef mehr. Das ist sehr überspitzt dargestellt, enthält aber ein veritables Körnchen Wahrheit.
Meinungsstärke ist nicht illoyal
Leider hat das Jobdescription-Bullshit-Bingo Hochkonjunktur. Das Mitglied der Geschäftsleitung durchschaut man vielleicht noch, aber wenn es an all die Direktoren, Vice Presidents, Seniors und Heads of Everythings geht, verliert man schnell den Durchblick.
Was das auslöst, sind Begehrlichkeiten. Man bekommt das Gefühl vermittelt, ohne (dokumentierte) Leitungsfunktion sei man ein Niemand. Das lenkt vom Wesentlichen ab, zum Beispiel davon, welche Eigenschaften es denn nun sind, die den guten Chef vom guten Mitarbeiter unterscheiden, und die dafür sorgen, dass Menschen für einen gewissen Zeitraum im beruflichen Kontext einem Vorgesetzten folgen und vertrauen?
Authentizität ist ein überstrapazierter Begriff, aber im Falle von Führung muss ein Chef diese Eigenschaft besitzen, da er sonst auf längere Sicht unglaubwürdig ist. Authentisch ist er übrigens auch dann, wenn er seinen Mitarbeitern signalisiert, dass er kein „Parteisoldat" (pun intended, siehe Einleitung) ist und ab und an auch gegen die Forderungen und Ansichten seiner Vorgesetzten opponiert.
Das schweißt das Team zusammen und schwört die Mannschaft auf das eigene Business ein. Viele Gesellschafter-Vertreter und mehr oder weniger „lose Enden" von Berichtslinien missdeuten ein derartiges Verhalten nicht selten als Illoyalität - ein geradezu unfassbar kurzsichtiger Irrtum.
Im Sturm zeigt sich wahre Größe
Wenn alles toll läuft, ist jeder ein guter Chef. Zum Schwur kommt es, wenn es heikel wird. Wenn ganze Geschäftsbereiche ins Schwanken kommen und der Druck im Kessel steigt. Schlechte Vorgesetzte - und davon gibt es naturgemäß reichlich - verfallen dann in die einfachste aller Verhaltensweisen: Druck weitergeben und nach oben (vermeintlich) gut dastehen. Das ist der Anfang vom Ende einer guten Beziehung zwischen Mitarbeitern und ihrem Chef. Achtung, Überraschung: Mitarbeiter sind nicht doof - auch wenn einen dieser Eindruck bei mancher Literatur zum Thema durchaus beschleichen könnte.
Fähige Führungskräfte stellen sich genau dann hinter ihr Team und vor ihr Business, wenn es (gerade auch für sie selbst) schwierig wird. Opportunismus mag menschlich sein, die Fahne auf dem Dach wird jedoch in dem Moment vom Sturm innerer Kündigungen zerfetzt, wenn sie eigentlich Segel im Wind sein müsste. Leider ist der Typus des Ja-Sagers und Arschkriechers immer noch stark verbreitet.
So lange ein solches Verhalten (mit Aufstieg) belohnt wird, so lange ist es einzig und allein ein Problem von Werten und Unternehmensethik, die dem Erfolg im Wege steht.
Zum guten Chef gehört viel mehr
Weitere elementare Eigenschaften und Verhaltensweisen guter Chefs sind nach meiner Auffassung:
Der Druck in der Wirtschaft ist groß und wird ständig größer. Jede einzelne Führungskraft kann etwas daran ändern: wenn sie nicht das eigene Fortkommen über alles stellt, sondern Gradlinigkeit, Authentizität und nachhaltige Leadership Grundlage ihres Verhaltens gegenüber Mitarbeitern ist. Man muss sich ja nur einmal selbst fragen, welchem Chef man zuletzt uneingeschränkt vertraut hat, und vor allem: aufgrund welcher Eigenschaften.
Bevor jetzt aber all die Studienräte, Unteroffiziere, Professoren oder Staatssekretäre Schnappatmung bekommen: Natürlich gibt es solche und solche, man gönne mir meine polarisierende Einleitung ins Thema.
Work-Life? Unsinn!
Was ich nämlich eigentlich gerne in die Runde der Interessierten werfen möchte, ist die Frage nach den Eigenschaften, die gute Vorgesetzte - auch in den oben genannten, aber vor allem in weniger althergebrachten beruflichen Umfeldern - an den Tag legen müssen, damit ihre Mitarbeiter sonntagabends nicht mit Bauchschmerzen an den darauffolgenden Morgen denken; und damit Menschen auch jahrzehntelang ohne gesundheitlich Schaden zu nehmen Leistung als Arbeitnehmer bringen können; und damit Arbeit endlich das ist, was sie sein muss: nicht das mühlsteinartige Gegengewicht, das als „Work" dem „Life" die Balance fast unmöglich macht, sondern ein ganz wesentlicher und erfüllender Teil des eigenen Lebens sein darf.
Bevor ich weiter ins Thema einsteige, eine kleine Vorbemerkung. Ich spreche im Folgenden von „Chefs" und „er" und meine damit dennoch ausdrücklich auch „Chefin" und „sie". Das ist das Gegenteil von gendergerechter Sprache, ich weiß. Da ich mich jedoch auch und vor allem auf eigene Ansichten und Erfahrungen stütze, sei mir auch das verziehen. Nun aber zum eigentlichen Thema.
Du kannst das!
Bevor ich meine erste Führungsaufgabe antrat, fragte ich meinen damaligen Chef, wie ich mir das theoretische Rüstzeug dafür aneignen könne. Seine Antwort bestand nicht aus Buch-Tipps, Blog-Empfehlungen oder Weiterbildungs-Kursen, sondern lautete lapidar: „Du kannst das." Dafür bin ich ihm noch heute dankbar, wenngleich das mit dem Können nach wie vor die Frage ist - und auch sein darf, und auch sein muss.
Denn eines ist ganz bestimmt eine elementare Softskill einer guten Führungskraft: die Fähigkeit zur Reflexion und die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Werken und Wirken. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass man Leadership nicht erlernen kann. Niemals. Man kann sich allenfalls Mechanismen aneignen, die in die (bereits angelegten) eigenen Fähigkeiten einzahlen: Das „Wie" kann man z.T. erlernen, das „Was" muss man bereits besitzen.
Zum Was gehört beispielsweise die Fähigkeit zur Empathie. Wem diese ganz oder in Teilen abgeht, dessen Leadership enttarnt sich in Windeseile selbst als das, was sie dann sein muss: Methodenfetischismus als Versuch eigene Unzulänglichkeiten zu verschleiern. Das muss scheitern.
Nicht jeder muss führen
Oft hört man von sehr fähigen Nachwuchs-Managern, dass sie nun bereit seien für eine Führungsaufgabe. Sie wollen ihren Lebenslauf nun endlich auch mit den begehrten Attributen „disziplinarische Führung" und „Teamverantwortung" anreichern. Dabei übersehen sie häufig, dass sie sich damit vielleicht gar keinen Gefallen tun.
Führungskraft zu sein hat nämlich erheblich mehr Downsides als Highlights. Konsens herrscht in Branchen, die starken Veränderungsprozessen unterworfen sind, eher selten bis nie. Es gilt also permanent Unzufriedenheit und Unsicherheit zu moderieren und dabei gleichzeitig Zuversicht auszustrahlen und eine Richtung vorzugeben.
Zudem sind viele exzellente Fachkräfte nicht unbedingt auch gute Chefs. Man kennt die Anekdote vom Schraubendreher: Was passiert, wenn man den besten aller Schraubendreher zum Chef aller Schraubendreher macht? Man hat einen exzellenten Schraubendreher weniger, dafür aber einen schlechten Chef mehr. Das ist sehr überspitzt dargestellt, enthält aber ein veritables Körnchen Wahrheit.
Meinungsstärke ist nicht illoyal
Leider hat das Jobdescription-Bullshit-Bingo Hochkonjunktur. Das Mitglied der Geschäftsleitung durchschaut man vielleicht noch, aber wenn es an all die Direktoren, Vice Presidents, Seniors und Heads of Everythings geht, verliert man schnell den Durchblick.
Was das auslöst, sind Begehrlichkeiten. Man bekommt das Gefühl vermittelt, ohne (dokumentierte) Leitungsfunktion sei man ein Niemand. Das lenkt vom Wesentlichen ab, zum Beispiel davon, welche Eigenschaften es denn nun sind, die den guten Chef vom guten Mitarbeiter unterscheiden, und die dafür sorgen, dass Menschen für einen gewissen Zeitraum im beruflichen Kontext einem Vorgesetzten folgen und vertrauen?
Authentizität ist ein überstrapazierter Begriff, aber im Falle von Führung muss ein Chef diese Eigenschaft besitzen, da er sonst auf längere Sicht unglaubwürdig ist. Authentisch ist er übrigens auch dann, wenn er seinen Mitarbeitern signalisiert, dass er kein „Parteisoldat" (pun intended, siehe Einleitung) ist und ab und an auch gegen die Forderungen und Ansichten seiner Vorgesetzten opponiert.
Das schweißt das Team zusammen und schwört die Mannschaft auf das eigene Business ein. Viele Gesellschafter-Vertreter und mehr oder weniger „lose Enden" von Berichtslinien missdeuten ein derartiges Verhalten nicht selten als Illoyalität - ein geradezu unfassbar kurzsichtiger Irrtum.
Im Sturm zeigt sich wahre Größe
Wenn alles toll läuft, ist jeder ein guter Chef. Zum Schwur kommt es, wenn es heikel wird. Wenn ganze Geschäftsbereiche ins Schwanken kommen und der Druck im Kessel steigt. Schlechte Vorgesetzte - und davon gibt es naturgemäß reichlich - verfallen dann in die einfachste aller Verhaltensweisen: Druck weitergeben und nach oben (vermeintlich) gut dastehen. Das ist der Anfang vom Ende einer guten Beziehung zwischen Mitarbeitern und ihrem Chef. Achtung, Überraschung: Mitarbeiter sind nicht doof - auch wenn einen dieser Eindruck bei mancher Literatur zum Thema durchaus beschleichen könnte.
Fähige Führungskräfte stellen sich genau dann hinter ihr Team und vor ihr Business, wenn es (gerade auch für sie selbst) schwierig wird. Opportunismus mag menschlich sein, die Fahne auf dem Dach wird jedoch in dem Moment vom Sturm innerer Kündigungen zerfetzt, wenn sie eigentlich Segel im Wind sein müsste. Leider ist der Typus des Ja-Sagers und Arschkriechers immer noch stark verbreitet.
So lange ein solches Verhalten (mit Aufstieg) belohnt wird, so lange ist es einzig und allein ein Problem von Werten und Unternehmensethik, die dem Erfolg im Wege steht.
Zum guten Chef gehört viel mehr
Weitere elementare Eigenschaften und Verhaltensweisen guter Chefs sind nach meiner Auffassung:
- Humor ohne Anbiederung
- Demut gegenüber dem Führungsmandat, denn es ist in der Regel nur geliehen
- Klare Meinung, aber Bekenntnis zu zu den eigenen Schwächen und Fehleinschätzungen
- Entscheidungsstärke, aber Einbeziehung der Erfahrungen und Ansichten von Mitarbeitern
- Personalauswahl-Kompetenz statt Delegation dieser Verantwortung an HR
- Gerechtigkeit ohne Gleichmacherei
- Erkennen von Potenzialen in Mitarbeitern
- Individuelle Führung, denn kein Mitarbeiter ist wie der andere
- Härte zu sich selbst und Fordern Anderer
- Fähigkeit zur Deeskalation
- Aushalten, ja Einfordern starker Meinungen und interner Opposition
- Wahrung von Distanz und gleichzeitig Schaffung von Zuversicht und Vision
Der Druck in der Wirtschaft ist groß und wird ständig größer. Jede einzelne Führungskraft kann etwas daran ändern: wenn sie nicht das eigene Fortkommen über alles stellt, sondern Gradlinigkeit, Authentizität und nachhaltige Leadership Grundlage ihres Verhaltens gegenüber Mitarbeitern ist. Man muss sich ja nur einmal selbst fragen, welchem Chef man zuletzt uneingeschränkt vertraut hat, und vor allem: aufgrund welcher Eigenschaften.