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Zivilgesellschaft: der Weg aus der Unmündigkeit

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Politiker und Behörden scheitern regelmäßig. Der Berliner Flughafen oder die Elbphilharmonie stehen dafür beispielhaft. Dabei gibt es sehr viele Aufgaben, die Menschen vor Ort in Eigenverantwortung viel effizienter, kostengünstiger und verständiger meistern können. Denn vor Ort wissen die Menschen meist viel besser, was richtig und nötig ist. Wir brauchen in Deutschland und Europa eine neue Kultur der Zivilgesellschaft. Wie das geht, kann man zum Beispiel in Berlin beobachten.

In Berlin läuft es ...

Zum neuen Schuljahr eröffnet im Berliner Bezirk Wedding eine Privatschule: Quinoa. Zielgruppe sind aber mitnichten die Kinder wohlhabender Eltern, sondern die Kinder, die häufig durch das Netz fallen: Die Kinder von Migranten und Hartz-IV-Empfängern. Innerhalb kurzer Zeit ist dieses Projekt beeindruckend gestartet und hat gezeigt, dass man weder Politiker braucht, die etwas anstoßen, noch Behörden, die etwas organisieren.

Ausgerechnet in der Stadt, in der sich der Flughafenbau exponentiell hinauszögert, soll so etwas funktionieren? Ja, vielleicht ist das gerade der Ort, um deutlich erkennbar zu demonstrieren, dass etwas funktionieren kann. Dort wo staatliche Institutionen noch halbwegs ihren Aufgaben gerecht werden, geben sich viele Menschen mit einem lauten Stoßseufzer zufrieden, wenn sie mit dem Versagen von Behörden und Politik konfrontiert sind. Wo aber das Versagen zu groß wird, nehmen zum Glück viele Menschen selber die Problemlösung in die Hand. Dort lebt die Zivilgesellschaft auf.

Zivilgesellschaftliche Selbstorganisation

Im Jahr 1996 wurde der katholische Geistliche Leo Penta aus New York als Professor an die Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin berufen. Seitdem leitet er nicht nur das Deutsche Institut für Community Organizing, sondern hilft auch in Berlin mit beim Aufbau von sogenannten Bürgerplattformen.

„Organizing zielt darauf, Menschen zu befähigen, ihr eigenes Leben, das gesellschaftliche Zusammenleben und damit das öffentliche Leben (wieder) gemeinsam mit anderen zu gestalten, gegebenenfalls zu verändern, zu entwickeln, d.h. persönlich und öffentlich politisch handlungsfähig zu werden."

Das Prinzip des Community Organizing wird in den USA schon seit längerem als erfolgreiches Konzept zur Lösung akuter Probleme eingesetzt. Anders als bei der staatlich organisierten Sozialarbeit sollen den Menschen ihre Probleme gerade nicht abgenommen werden. Staatlich organisierte Sozialarbeit, so war Saul Alinsky, der Vater des Community Organizing, überzeugt, würde Menschen in Abhängigkeit und Unmündigkeit führen. Dagegen setzte er seine Idee, den einzelnen Bürger dazu zu befähigen, für seine Interessen nicht nur einzutreten, sondern selbst ihre Realisierung in die Hand zu nehmen.

Genossenschaften - die „Kriegskassen der Demokratie"

Eine solche Tradition gab es schon einmal in Deutschland. Der deutsche Politiker und Sozialreformer Hermann Schulze-Delitzsch hatte im Laufe der 50er und 60er Jahre des 19. Jahrhunderts mit einigen Mitstreitern das Genossenschaftswesen als Organisationsform der Selbstverwaltung in Deutschland etabliert.

Ebenso wie heute bei der Quinoa-Schule in Berlin taten sich damals Menschen zusammen, um sich eigenverantwortlich den Herausforderungen zu stellen. Sie haben sich nicht auf Politik oder Staat verlassen. Solch eine Haltung war seinem Zeitgenossen Otto von Bismarck ein Dorn im Auge: Er bezeichnete Genossenschaften als „Kriegskassen der Demokratie". Und darum hat Bismarck, der unseren Staat nach wie vor in hohem Maße prägt, alles dafür getan, das Genossenschaftswesen klein zu halten. Auch heutige Politiker schätzen die großen, staatsnahen Konzerne weit mehr als die Formen der Selbstorganisation.

Das Rentensystem am Abgrund, das konzeptlose Herumstolpern durch die Euro-Krise, die marode Infrastruktur - angesichts des eklatanten Versagens des Staates auf den unterschiedlichsten Gebieten wird es höchste Zeit für einen Sinneswandel! Unser freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat lebt von der Bereitschaft der Bürger, Verantwortung zu übernehmen. Wer sich auf den Staat verlässt, trägt schleichend zur Unterhöhlung von Demokratie und Freiheit bei. Wer sich auf den Staat verlässt, gibt aber auch ein bedeutendes Stück seiner Würde freiwillig ab, weil er die Verantwortung für sein eigenes Leben jemand anderem überlässt.

Mündige, freie, stolze Bürger

Es ist an der Zeit, die „Kriegskassen der Demokratie" wieder zu füllen mit unserem eigenen Einsatz. Das mag mühsam sein, ungemütlich und frustrierend. Aber es verleiht unserem Leben einen viel größeren Wert und schenkt ihm ganz neue Dimensionen. Es wäre ein bedeutender Schritt für uns in Deutschland und Europa, wenn sich in Zukunft viel mehr Privatschulen, Bürgerplattformen und viele andere Spielarten der organisierten Selbstverantwortung etablieren würden. Es wäre ein Schritt aus der „selbstverschuldeten Unmündigkeit" hin zum mündigen, freien und stolzen Bürger.




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