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Offener Brief an meinen Pränataldiagnostiker

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Liebe Pränataldiagnostiker,

ich möchte heute meine Gedanken aussprechen, die ich seit einiger Zeit mit mir herumtrage.

Dass es Sie gibt, ist ein großer Fortschritt in der Geburtsmedizin. In meiner ersten Schwangerschaft war ich unendlich dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, meine Tochter bereits im Bauch "aufwachsen" zu sehen. Nicht pixelig und in schwarz-weiß, sondern gestochen scharf, in 3D und Farbe.

Ich war geblendet von den Möglichkeiten, von der Technik, der Faszination Leben und wir haben uns auf Anhieb verstanden. Schließlich gab es auch keine Probleme. Meine Tochter war gesund, Sie nahmen empathisch an meiner Schwangerschaft teil und die Stimmung war ausgelassen fröhlich.

Dann kam ich 3 Jahre später wieder. Gebrochen. Ängstlich. Verunsichert. Voller Sorgen. Mit einem Anfangsverdacht, den keine Mutter jemals hören möchte, der sich jedoch im Verlauf Ihrer Untersuchung bestätigte.

Sie können die Schwangerschaft jederzeit beenden!

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie mich auffangen. Mir Sicherheit geben. Stattdessen war einer der ersten Sätze - nach einem für mich niemals enden wollenden Ultraschall -, dass ich diese Schwangerschaft jederzeit beenden könne. Wow. So fühlt es sich also an, wenn einem im Moment größter Glückseligkeit der Boden unter den Füßen weggerissen wird.

Statt Empathie - wie damals bei unserem ersten Zusammentreffen - herrschte kühle Routine im Untersuchungszimmer. Feste Abläufe wurden abgespielt, Floskeln ausgesprochen und immer wieder betont, dass ich jederzeit jede Entscheidung treffen könne und mich das Netz aus Spezialisten dabei unterstützen wird.

Heute, 11 Monate nach unserem erneuten Zusammentreffen, bin ich manchmal wütend, dass Sie mich mit der Notwendigkeit einer Fruchtwasseruntersuchung überfallen haben. Ich erinnere mich, als wäre es gestern. Der schwere Herzfehler Ihres Kindes, der nicht gefüllte Magen, die große Fruchtwassermenge - all das spricht dafür, dass ein Chromosomendefekt beim Kind vorliegt. Wenn es eine Trisomie 21 wäre, würde es Sie noch am besten treffen, höre ich Sie sagen.

Ich hätte rückblickend gern mehr Zeit gehabt und hätte mich dann wohl dagegen entschieden. Stattdessen blieben mir keine 18 Stunden, bis Sie mir erklärten, dass bei einem solch schwerem Herzfehler keine Maßnahmen eingeleitet würden das Baby überleben zu lassen, sollte es durch die Fruchtwasseruntersuchung zu Wehen kommen. Da war ich in der 24. Schwangerschaftswoche und hatte die Nadel schon im Bauch.

Vor Ihnen sitzen Tag für Tag Eltern, deren ganze Hoffnung und Freude von einer Sekunde auf die andere zerschlagen wurden.

Liebe Pränataldiagnostiker! Ich hätte mir sehnlichst gewünscht, dass Sie wissen, wen Sie vor sich haben: Vor Ihnen sitzen Tag für Tag Eltern, deren ganze Hoffnung und Freude von einer Sekunde auf die andere zerschlagen wurden. Zu Ihnen kommen Mütter, die hilflos und verzweifelt sind, Angst haben und auf Ihre Hilfe, Ihre Zuversicht, aber auch Ihr Einfühlungsvermögen angewiesen sind.

Wir wollen offene Worte, die trotzdem mitfühlend ausgesprochen werden. Lassen Sie uns über alle Alternativen sprechen. Wir brauchen jemanden, der erfahren genug ist, uns zu stützen, statt uns nach einer Untersuchung mit unschönen Tatsachen allein und am Boden zerstört, weinend im Wartebereich sitzen zu lassen. Vor allem brauchen wir aber niemanden, der uns gleich zu Beginn den Abbruch der Schwangerschaft anbietet.

Bitte vergessen Sie bei aller Routine nicht, wie es uns Müttern dabei geht!

Liebe Pränataldiagnostiker! Ich habe in den letzten Monaten viele Mütter gesprochen, denen genau das gleiche passiert ist wie mir. Die zu Ihnen kamen, weil Sie Hilfe und Halt suchten. Und in jedem einzelnen Fall wurde in kühler Routine ein Schwangerschaftsabbruch angeboten. Läuft hier nicht etwas grundlegend falsch?

Ich habe großes Verständnis dafür, dass Sie sich vielleicht selbst schützen müssen, bei allem was Sie täglich erleben, nicht zu viel Empathie zulassen können. Ich verstehe auch, dass werdende Mütter rein rechtlich die Möglichkeit zu einem Spätabbruch haben, wenn das ungeborene Kind krank ist.

Aber bitte vergessen Sie bei aller Routine nicht, wie es uns Müttern dabei geht. Wir kommen zu Ihnen, wenn unsere Welt aufgehört hat sich zu drehen. Wir wollen nicht noch mehr zerstörende Worte hören, die kühl ausgesprochen werden, als beträfe es jemanden, den wir beide nicht kennen. Es geht in jedem einzelnen Fall um unsere Babies. Auf die wir lange und voller Freude gewartet haben! Und die zu lieben es ab diesem Moment schwer fällt.

Liebe Pränataldiagnostiker, ich bin froh, unendlich froh, dass ich nicht auf diese Möglichkeit eingegangen bin, die Schwangerschaft zu beenden. Denn meine zweite Tochter lebt. Sie führt trotz ihres schweren Herzfehlers sogar ein annähernd normales Leben.

Die heutige Technik ist Fluch und Segen zugleich. Sämtliche Softmarker, die für einen Chromosomendefekt sprachen, waren unbegründet. Aber die Unbeschwertheit und den Zauber einer Schwangerschaft, nämlich die unbändige Freude auf sein Baby, habe ich, haben wir dennoch verloren.

Ich habe Sie und Ihre Arbeit immer sehr geschätzt und tue das auch heute noch! Aber denken Sie bitte über meine Worte nach. Machen Sie all jenen Frauen, die verzweifelt vor Ihnen sitzen werden, das Leben nicht noch schwerer. Statt ihnen den Mut zu nehmen, helfen Sie ihnen, nach vorn zu sehen. Es lohnt sich!

Eine Mutter, die den Mut dennoch nicht verloren hat

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