Studio Theater Trier zeigt hochaktuelles Stück zu Kirchenfragen mit Florian Burgs sehr gelungener Inszenierung von Bill C. Davies Stück
"Der Priestermacher"
Pfarrer Farley gehört als Gemeindepfarrer zu dem Bodenpersonal der Kirche, das vom Kirchen- und Gemeindeauditorium geliebt wird. Bei ihm gibt es sonntags Dialogpredigten und die Kollekte zur Gabenbereitung betrachtet er als Meinungsumfrage über die Qualität der Predigt, lernen wir in der zweiten Szene, und Pfarrer Farley ist eine durch und durch sympathische Erscheinung gekennzeichnet, weiß aber seine eigene und die Autorität der Kirche durchaus gewinnbringend ins Spiel zu bringen. Er ist nebenher Berater des Priesterseminars, mit dessen Leiter Monsignore Bürk und dessen Schwester er zwar in den Ferien nach Jugoslawien gefahren ist, den er aber eigentlich nicht mag, dem er aber auch wohl nicht wirklich zu widersprechen wagt, da Monsignore Bürks Wirken und seine Entscheidungen nicht gerade im Sinne des eher liberalen Pfarrers sind, der den Schwerpunkt seiner Arbeit im Gottesdienst, auf der Kanzel und in der seelsorgerischen Arbeit sieht, wobei es wohl schwierig sein würde, ein Gemeindemitglied zu finden, dem er wirklich aus seelischer Not geholfen und nicht mit Sprüchen abgespeist hat.
Bill C. Davis Stück "Der Priestermacher" in der deutschen Übersetzung von Dagmar Gottschall ist in der dramaturgischen Fassung (Dramaturgie: Sylvia Martin) in Trier im Hinblick auf die Dialoge intelligent gestrafft und vor allem geschliffen worden, sodass das sehr ernsthafte Stück über die Auseinandersetzung von Jung und Alt nicht nur die zentralen Fragen der katholischen Kirche in zwei knappen Szenen des Textes bereits auf den Punkt bringt, sondern auch durchaus bohrende Fragen danach stellt, was Priestertum nun eigentlich bedeutet und was die Menschen zurecht von ihren Priestern erwarten dürfen, aber das auf diese amerikanische Leichtigkeit verhandelt, in der Humor und Unterhaltung nicht zu kurz kommen. Es wird viel gelacht an diesem Abend, vor allem, wenn der junge, etwas sture und idealistisch-hitzköpfige Diakon Mark Dolsen "wie ein junges Rennpferd in der Startbox" ausschlägt, die leicht bequemliche Pragmatik seines Vorgesetzten und die aus dem von der Gemeinde heftig geförderten Alkoholismus resultierenden Nachlässigkeiten attackiert.
Manfred Paul Hänig nimmt man angesichts seiner großen Wandlungsfähigkeit den Priester Tim Farley wirklich ab, geschickt hilft ihm das Stück bei der Eroberung des Publikums, indem es ihn zu Beginn des Stücks und des Theaterabends auf die Kanzel stellt. Das pragmatische Bühnenbild von Susanne Waibler ist optisch sehr ansprechend: Es besteht aus Altar/Schreibtisch, Kanzel und angedeutetem gotischen Spitzbogenfenster nebst zwei durchaus teuren und eleganten Lederstühlen, in denen die beiden Darsteller ihre Unterschiedlichkeit lustvoll andeuten dürfen, Mark Dolson - wunderbar jung und launenhaft als James-Dean-Himmelstürmer (Daniel Kröhnert) - lümmelt sich eher auf dem Stuhl herum, während Father Farley - hinreißend und berührend und komisch zugleich: Manfred-Paul Hänig, der versoffene Schauspieler Selsdon aus "Der nackte Wahnsinn" - in seinem Stuhl wie in einem Bürosessel thront. Gerade Taktgefühl und diplomatische Kommunikation sind nicht unbedingt Dolsons Sache. Und so eckt er immer wieder bei seinem selbsternannten Ziehvater an, den er aber durch die gelebte Überzeugung zu einem Sinneswandel antreibt, sodass dieser auf der Kanzel über sich hinauswächst und als süchtiger Mensch zu der Größe heranwächst, seine Sucht öffentlich zu bekennen und ein zukünftig geändertes Verhalten quasi verspricht.
Das geschickte Gegeneinanderschneiden von Kanzel- und Kirchenszenen und Dialogen im Pfarrbüro, Szenen, in die man im Regelfall als Kirchenbesucher und Kirchenmitglied keinen Einblick hat, machen den Reiz des Textes aus, der nicht nur fast alle aktuellen Kirchenfragen anschneidet, sondern auch sehr geschickt den Diskurs zweier sehr sympathisch angelegter realistischer Menschen aufzeigt, dass es schon fast ein Wunder ist, dass in Rom gerade Papst Franziskus die Kirche in den Dialog und Diskurs hineinreißt, antreibt und anscheinend auch ernst meint, anders als Tim Farley, der unter Dialogpredigt scheue Statements seiner Gemeinde versteht, mit denen er, geschickt erwidert bis abgebügelt, einen wirklichen Dialog gar nicht erst zulässt.
Als die Premiere des Priestermachers im Januar des Jahres im Studio von Theater Trier über die Bühne ging, konnte noch niemand ahnen, dass im Februar Benedikt XVI zurücktreten würde, dass der Argentinier Bergogli schließlich Papst werden würde, die Arme für die geliebte Welt ausbreiten würde und die Sehnsucht eines Mark Dolson für eine bessere Welt quasi aufnehmen würde, aber auch immer wie Father Farley um Außenwirkung bemüht und besorgt ist. Dass Bergoglio sich dann auch noch wie der im Stück an entscheidender Stelle erwähnte Heilige Franziskus nennen würde, das gibt Davis Stück fast so etwas wie Visionscharakter und ist in diesen Tagen, in denen Papst Franziskus die Reformnotwendigkeit in der Kirche betont, die Homophobie eines Teils der Kirche geißelt, die aber auch faktische weit verbreitete Homosexualität in der Priesterschaft als Glaubwürdigkeitsproblem angreift, ohne aber in purem Opportunismus wichtige Standpunkte aufzugeben, das alles und die gemeinsam eine fast ideale Priesterfigur darstellenden Farley und Dolson, die ein herrliches Schauspielerpaar sind, gerade weil sie unterschiedlich alt sind, sicher auch für unterschiedliche Theater- und Rollenauffassungen stehen, ist aktuell visionär.
Kein Wunder also, dass Priesteramtskandidat Mark Dolson direkt beim eher gemütlich-nachsichtigen Pfarrer Tim Farley und auch seiner konservativen Gemeinde aneckt, indem er den progressiven Standpunkt der Zulassung von Frauen zum Priesteramt einbringt. Mark Dolan ist bewunderungswürdig konsequent, er, der aus menschlichen Gründen für seine beiden möglicherweise schwulen Mitstudenten eintritt, was ihn selbst unter den Generalverdacht der Homosexualität bringt, die er gegenüber dem Leiter des Priesterseminars aus Wahrheitsfanatismus auch noch zugibt und sich somit letztendlich um sein Priesteramt bringt.
Florian Burg zeigt konsequent, wie schon in seiner ähnlich anregend-berührend-unterhaltsamen Turini-Inszenierung im Modehaus Marx, zusammen mit den fast schon perfekten Sakral- und Priesteroutfits von Carola Vollath, die pointiert und wirklich schön die Unterschiedlichkeit der beiden Charaktere betonen, dass er, Florian Burg, ein Geschichtenerzähler ist und vor allem ein Schauspielerregisseur, dem es darauf ankommt, in den Dialogen auch die berührend gezeigten Menschen zu erzählen und nicht durch experimentell-auffällige Regiekonzepte aufzufallen, das scheint mir sicher nach den beiden Inszenierungen, die ich ansehen dürfte. Sein Handwerk beherrscht er perfekt, weil er zum Beispiel auch in den Kleinigkeiten des Kostümbildes eine durchaus unprätentiöse Handschrift zu realisieren bereit ist, die aber großen Anklang beim Publikum findet und weitgehend der Gefahr des nackten Wahnsinns entgeht, mit dem Kostümbild, Licht und allen nutzbringenden Mitteln des Theaters weitererzählt, was ja die durchaus gelungenste Theaterabende, die Gesamtkunstwerke sind, nicht vorgeben nur Regieleistungen zu sein: Mark weiß zwischen Kirchen- und Privatkostüm zu wechseln, während Father Farley in seiner Rolle erstarrt ist und sein Rollenoutfit nicht mehr abzulegen weiß.
Minutiös gearbeitet bis ins Anlegen der Priestergewänder hinein, die Predigtszenen geschickt mit einer wachsenden Hallunterlegung steigernd, die etwas zu lang geratenen Umkleide- und Umbaupausen mit Kirchen- und amerikanischer Filmmusik geschickt und liebevoll unterlegt, durch Einführung eines vermutlich ebenfalls als Abendspielleiter, Souffleur, Regieassistenten und auch Inspizienten agierenden Ministranten die Szenerie bereichert, lassen den Abend wie im Flug vergehen.
Fotos und andere Texte unter http://namkoartist.wordpress.com
"Der Priestermacher"
Pfarrer Farley gehört als Gemeindepfarrer zu dem Bodenpersonal der Kirche, das vom Kirchen- und Gemeindeauditorium geliebt wird. Bei ihm gibt es sonntags Dialogpredigten und die Kollekte zur Gabenbereitung betrachtet er als Meinungsumfrage über die Qualität der Predigt, lernen wir in der zweiten Szene, und Pfarrer Farley ist eine durch und durch sympathische Erscheinung gekennzeichnet, weiß aber seine eigene und die Autorität der Kirche durchaus gewinnbringend ins Spiel zu bringen. Er ist nebenher Berater des Priesterseminars, mit dessen Leiter Monsignore Bürk und dessen Schwester er zwar in den Ferien nach Jugoslawien gefahren ist, den er aber eigentlich nicht mag, dem er aber auch wohl nicht wirklich zu widersprechen wagt, da Monsignore Bürks Wirken und seine Entscheidungen nicht gerade im Sinne des eher liberalen Pfarrers sind, der den Schwerpunkt seiner Arbeit im Gottesdienst, auf der Kanzel und in der seelsorgerischen Arbeit sieht, wobei es wohl schwierig sein würde, ein Gemeindemitglied zu finden, dem er wirklich aus seelischer Not geholfen und nicht mit Sprüchen abgespeist hat.
Bill C. Davis Stück "Der Priestermacher" in der deutschen Übersetzung von Dagmar Gottschall ist in der dramaturgischen Fassung (Dramaturgie: Sylvia Martin) in Trier im Hinblick auf die Dialoge intelligent gestrafft und vor allem geschliffen worden, sodass das sehr ernsthafte Stück über die Auseinandersetzung von Jung und Alt nicht nur die zentralen Fragen der katholischen Kirche in zwei knappen Szenen des Textes bereits auf den Punkt bringt, sondern auch durchaus bohrende Fragen danach stellt, was Priestertum nun eigentlich bedeutet und was die Menschen zurecht von ihren Priestern erwarten dürfen, aber das auf diese amerikanische Leichtigkeit verhandelt, in der Humor und Unterhaltung nicht zu kurz kommen. Es wird viel gelacht an diesem Abend, vor allem, wenn der junge, etwas sture und idealistisch-hitzköpfige Diakon Mark Dolsen "wie ein junges Rennpferd in der Startbox" ausschlägt, die leicht bequemliche Pragmatik seines Vorgesetzten und die aus dem von der Gemeinde heftig geförderten Alkoholismus resultierenden Nachlässigkeiten attackiert.
Manfred Paul Hänig nimmt man angesichts seiner großen Wandlungsfähigkeit den Priester Tim Farley wirklich ab, geschickt hilft ihm das Stück bei der Eroberung des Publikums, indem es ihn zu Beginn des Stücks und des Theaterabends auf die Kanzel stellt. Das pragmatische Bühnenbild von Susanne Waibler ist optisch sehr ansprechend: Es besteht aus Altar/Schreibtisch, Kanzel und angedeutetem gotischen Spitzbogenfenster nebst zwei durchaus teuren und eleganten Lederstühlen, in denen die beiden Darsteller ihre Unterschiedlichkeit lustvoll andeuten dürfen, Mark Dolson - wunderbar jung und launenhaft als James-Dean-Himmelstürmer (Daniel Kröhnert) - lümmelt sich eher auf dem Stuhl herum, während Father Farley - hinreißend und berührend und komisch zugleich: Manfred-Paul Hänig, der versoffene Schauspieler Selsdon aus "Der nackte Wahnsinn" - in seinem Stuhl wie in einem Bürosessel thront. Gerade Taktgefühl und diplomatische Kommunikation sind nicht unbedingt Dolsons Sache. Und so eckt er immer wieder bei seinem selbsternannten Ziehvater an, den er aber durch die gelebte Überzeugung zu einem Sinneswandel antreibt, sodass dieser auf der Kanzel über sich hinauswächst und als süchtiger Mensch zu der Größe heranwächst, seine Sucht öffentlich zu bekennen und ein zukünftig geändertes Verhalten quasi verspricht.
Das geschickte Gegeneinanderschneiden von Kanzel- und Kirchenszenen und Dialogen im Pfarrbüro, Szenen, in die man im Regelfall als Kirchenbesucher und Kirchenmitglied keinen Einblick hat, machen den Reiz des Textes aus, der nicht nur fast alle aktuellen Kirchenfragen anschneidet, sondern auch sehr geschickt den Diskurs zweier sehr sympathisch angelegter realistischer Menschen aufzeigt, dass es schon fast ein Wunder ist, dass in Rom gerade Papst Franziskus die Kirche in den Dialog und Diskurs hineinreißt, antreibt und anscheinend auch ernst meint, anders als Tim Farley, der unter Dialogpredigt scheue Statements seiner Gemeinde versteht, mit denen er, geschickt erwidert bis abgebügelt, einen wirklichen Dialog gar nicht erst zulässt.
Als die Premiere des Priestermachers im Januar des Jahres im Studio von Theater Trier über die Bühne ging, konnte noch niemand ahnen, dass im Februar Benedikt XVI zurücktreten würde, dass der Argentinier Bergogli schließlich Papst werden würde, die Arme für die geliebte Welt ausbreiten würde und die Sehnsucht eines Mark Dolson für eine bessere Welt quasi aufnehmen würde, aber auch immer wie Father Farley um Außenwirkung bemüht und besorgt ist. Dass Bergoglio sich dann auch noch wie der im Stück an entscheidender Stelle erwähnte Heilige Franziskus nennen würde, das gibt Davis Stück fast so etwas wie Visionscharakter und ist in diesen Tagen, in denen Papst Franziskus die Reformnotwendigkeit in der Kirche betont, die Homophobie eines Teils der Kirche geißelt, die aber auch faktische weit verbreitete Homosexualität in der Priesterschaft als Glaubwürdigkeitsproblem angreift, ohne aber in purem Opportunismus wichtige Standpunkte aufzugeben, das alles und die gemeinsam eine fast ideale Priesterfigur darstellenden Farley und Dolson, die ein herrliches Schauspielerpaar sind, gerade weil sie unterschiedlich alt sind, sicher auch für unterschiedliche Theater- und Rollenauffassungen stehen, ist aktuell visionär.
Kein Wunder also, dass Priesteramtskandidat Mark Dolson direkt beim eher gemütlich-nachsichtigen Pfarrer Tim Farley und auch seiner konservativen Gemeinde aneckt, indem er den progressiven Standpunkt der Zulassung von Frauen zum Priesteramt einbringt. Mark Dolan ist bewunderungswürdig konsequent, er, der aus menschlichen Gründen für seine beiden möglicherweise schwulen Mitstudenten eintritt, was ihn selbst unter den Generalverdacht der Homosexualität bringt, die er gegenüber dem Leiter des Priesterseminars aus Wahrheitsfanatismus auch noch zugibt und sich somit letztendlich um sein Priesteramt bringt.
Florian Burg zeigt konsequent, wie schon in seiner ähnlich anregend-berührend-unterhaltsamen Turini-Inszenierung im Modehaus Marx, zusammen mit den fast schon perfekten Sakral- und Priesteroutfits von Carola Vollath, die pointiert und wirklich schön die Unterschiedlichkeit der beiden Charaktere betonen, dass er, Florian Burg, ein Geschichtenerzähler ist und vor allem ein Schauspielerregisseur, dem es darauf ankommt, in den Dialogen auch die berührend gezeigten Menschen zu erzählen und nicht durch experimentell-auffällige Regiekonzepte aufzufallen, das scheint mir sicher nach den beiden Inszenierungen, die ich ansehen dürfte. Sein Handwerk beherrscht er perfekt, weil er zum Beispiel auch in den Kleinigkeiten des Kostümbildes eine durchaus unprätentiöse Handschrift zu realisieren bereit ist, die aber großen Anklang beim Publikum findet und weitgehend der Gefahr des nackten Wahnsinns entgeht, mit dem Kostümbild, Licht und allen nutzbringenden Mitteln des Theaters weitererzählt, was ja die durchaus gelungenste Theaterabende, die Gesamtkunstwerke sind, nicht vorgeben nur Regieleistungen zu sein: Mark weiß zwischen Kirchen- und Privatkostüm zu wechseln, während Father Farley in seiner Rolle erstarrt ist und sein Rollenoutfit nicht mehr abzulegen weiß.
Minutiös gearbeitet bis ins Anlegen der Priestergewänder hinein, die Predigtszenen geschickt mit einer wachsenden Hallunterlegung steigernd, die etwas zu lang geratenen Umkleide- und Umbaupausen mit Kirchen- und amerikanischer Filmmusik geschickt und liebevoll unterlegt, durch Einführung eines vermutlich ebenfalls als Abendspielleiter, Souffleur, Regieassistenten und auch Inspizienten agierenden Ministranten die Szenerie bereichert, lassen den Abend wie im Flug vergehen.
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