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Wenn Gerechtigkeit „Gleichheit" meint, bleibt das Wachstum auf der Strecke

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Der Terminus „soziale Gerechtigkeit" ist aus dem politischen Wortschatz kaum noch wegzudenken. Es ist ein wohlklingender Begriff und so positiv, denn wer wollte schon gegen „soziale Gerechtigkeit" sein? Ein Frevel, welcher unmittelbare Ächtung verdiente.

So vergeht folgerichtig, gänzlich saisonunabhängig, kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Politiker oder eine Politikerin das Wort erhebt, den Begriff bemüht und zu sozialer Gerechtigkeit ermahnt, deren Vorzüge preist oder gar bei der Gelegenheit direkt einen Vorschlag zur Verbesserung eben jener sozialen Gerechtigkeit unterbreitet.

Blickt man indes hinter die Kulissen der damit verbundenen Wortbeiträge oder Vorschläge, eröffnet sich dem interessierten Beobachter oft ein Abgrund an Ideologie, der weder dem Fortschritt, noch der Individualität des Einzelnen, noch dem erforderlichen und anzustrebenden Wachstum dienlich ist.

Viele der gutmenschenartig unter dem Mantel der sozialen Gerechtigkeit vorgetragenen Beiträge entpuppen sich hinter den Kulissen als Maßnahme zur Gleichmacherei und nicht selten als geeignet, Leistungsträger zu demotivieren, um nicht zu sagen, zu deklassieren.

Beispiel „Mindestlohn":

Als Maßnahme zur Schaffung sozialer Gerechtigkeit auf breiter politischer Front gefeiert - das verbale Feiern gemeinsamer sogenannter Erfolge und das gleichzeitige Reklamieren des größten Anteils dieses Erfolgs für sich sind inzwischen politische Kultur geworden - ist der Mindestlohn nichts anderes als ein staatlicher Eingriff in einen funktionierenden Wettbewerb.

Was werden Unternehmer tun, die auf breiter Front vom Mindestlohn - der ja noch längst nicht dort angelangt ist, wo die Gewerkschaften und Teile der politischen Landschaft ihn gerne hätten - betroffen sind?

Sie werden die Preise erhöhen, die Produktivität erhöhen, sprich Mitarbeiter entlassen und sich nach Produktionsmöglichkeiten im angrenzenden Ausland umsehen. Hier wurde mit Zitronen gehandelt.

Ein deutscher großer Friseurfilialist hat die Gelegenheit des Mindestlohns genutzt, damit zu werben, dass das Unternehmen selbstverständlich Mindestlöhne zahle, was auf großen Plakaten an den Salons beworben wird. Was sollen sie auch anderes tun? Im Gegenzug wurde unter anderem der Preis eines Herren-Haarschnitts um dreißig Prozent erhöht - der Mindestlohn als ausgezeichnete Gelegenheit für eine sonst überaus schwierige Preisanpassung.

Was aber wird nun geschehen? Viele der Herren, die im Gegensatz zu den Damen ja ohnehin oft den Gang zum Friseur als nicht so erquicklich erachten, werden sich überlegen, ob sie nicht ein wenig später zum Friseur gehen. Andere Herren werden sich überlegen, jemanden nach Hause zu bestellen, der ihnen die Haare schneidet und mindestens einige dieser Heimfriseure werden die Vergütung - die Vermutung ist statthaft - vielleicht nicht ganz korrekt versteuern; die Schwarzarbeit wird blühen. Einige Friseursalons werden im Übrigen exakt wegen des Mindestlohns auf der Strecke bleiben. Mehr Arbeitslose, mehr Sozialaufwendungen, aber wir zahlen Mindestlohn. Prima.

Wenn Erntehelfer plötzlich den doppelten Stundensatz erhalten, wird sich dies auf die Preise oder auf die Qualität auswirken - oder auf beides. Werden die Verbraucher in Deutschland, die den preisintensivsten Wettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel weltweit erleben und zu genießen scheinen und sich an ständig sinkende Preise gewöhnt haben, höhere Preise akzeptieren, weil wir den Mindestlohn eingeführt haben? Wer dies annimmt, sollte die rosa Brille abnehmen.

Beispiel „Steuersatz":

Der politische, ideologisch geprägte Dialog über Steuersätze ist besonders ungerecht, da den Spitzensteuersatz bei weitem schon nicht mehr die absolute Spitze der Einkommensbezieher zahlen, obwohl der Begriff dies nahelegt; vielmehr ist der Spitzensteuersatz längst in der Mittelschicht der Einkommen angekommen.

Die sogenannte soziale Gerechtigkeit bezieht sich nun darauf, eine „Reichensteuer" mit genau diesem populistischen Begriff zu propagieren (die wir im Übrigen schon haben), die Vermögenssteuer wieder aus der Schublade zu holen und andere Register zu ziehen, um „die Reichen" - immer unter der Bekundung, dass es sich dabei ja nur um einen kleinen Teil der Bevölkerung handele, die auch ihren Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit leisten müsse - zur Kasse zu bitten.

Vergessen wird gern, wer bereits heute die weitaus überwiegende Teil des Steueraufkommens schultert und dass das Argument, dass starke Schultern mehr tragen müssen, als schwache gern übersieht, dass auch die Last, die durch starke Schultern getragen werden kann, nicht unbegrenzt ist.

Nebenbei bemerkt ist die Forderung an die öffentliche Hand statthaft, sich ebenfalls einem Produktivitätsverbesserungsbestreben zu verpflichten, wie es gute Praxis in jedem Unternehmen ist. Dann könnten Steuergelder auch wirksamer genutzt werden. Doch dies gäbe Raum für einen neuen Beitrag.

Zurück zur sozialen Gerechtigkeit: Derjenige, der sich der Mühe unterzieht, hinter die Kulissen jener vordergründig bekundeten „sozialen Gerechtigkeit" zu sehen - und das tun offenbar noch zu wenige, weil es Zeit und Mühe bedeutet -, wird noch zahlreiche weitere Beispiele dafür finden, dass der Grat zwischen Gerechtigkeit und Gleichheit zumindest schmal ist, zurückhaltend formuliert.

Es drängt sich der Verdacht auf, dass Teile der deutschen Politik es lieber heute als morgen sähen, dass sich Unterschiede egalisierten. Unterschiede, Vielfalt, der Respekt davor, dass einige von uns Dinge besser können als andere, die wiederum in anderen Dingen stark sind, die Akzeptanz des Leistungsprinzips, die kultivierte Möglichkeit, sich von anderen Menschen zu differenzieren - ohne über die Qualität dieser Differenzierung urteilen zu müssen -, all dies sind aber Grundpfeiler unserer Leistungskultur, sie sind Elemente unseres Antriebs, Bestandteile unserer Entwicklung, ja sie sind sogar Errungenschaften.

Es bedarf keiner Gleichmacherei, es bedarf der Freiheit, es bedarf der sorgsamen Übertragung von Verantwortung an den Einzelnen, der auch lernt, zu erkennen, wenn andere seine Unterstützung benötigen und der sich dieser Verantwortung selbstverständlich bewusst ist. Bedauerlicherweise scheint diese Ambiguität in zahlreiche politische Konzepte nicht zu passen.

Seien wir also aufmerksam und wirken wir dagegen, dass aus Gerechtigkeit nicht schleichend Gleichheit wird. Denn „gleich" sind wir glücklicherweise alle nicht.

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