US-Brauer wollen mit kreativen Bierstilen den deutschen Genussmarkt aufmischen. Der Aufbau einer ersten Berliner Braustätte verunsichert Konsumenten und führt zu wilden Diskussionen im Netz. Craft-Biere sind als Lifestyle-Produkt in der Szene angekommen.
Wenn sich in der Bundeshauptstadt eine kalifornische Brauerei ansiedeln will, dann führt das neuerdings zu Entrüstung, leidenschaftlichen Debatten und skurrilen Spekulationen - nicht nur bei Twitter, Facebook & Co. Eine Meute konventioneller deutscher Biertrinker wettert mit Begrifflichkeiten wie Ami-Plörre, Weiber-Brause oder Chemie-Gesöff. Angeblich produzieren wir doch hierzulande sowieso den besten Gerstensaft der Welt und tolle Brauereien gibt es auch schon genug. Also: Was wollen die Amis eigentlich hier, die ja nicht mal wissen, wie unser deutsches Reinheitsgebot funktioniert.
Ganz so neu sind diese Diskussionen jedoch keineswegs. Immer wenn Gefahr droht, dass fremde Brauer deutsche Grenzen überschreiten könnten, wird das Reinheitsgebot von 1516 als monströses Schutzschild aus der Waffenkammer gezerrt. Dann beginnt der verbale Kampf etablierter Verbände und einer Handvoll Großbrauereien, bei denen es meist nur um Profite und Marktanteile geht. Dabei braucht diese mächtige Lobby nicht mal die kleinen Craft-Bier-Produzenten zu fürchten, von denen selbst die größten der Branche im ganzen Jahr weniger produzieren als die Brau-Multis an einem Tag.
Viele der Argumente für eine harte Haltung beim Reinheitsgebot führen denn auch ins Absurde: Die Propheten des Reinheitsgebots schüren jetzt wieder alte Ängste, moderne Craft-Biere enthielten untransparente Zutaten, seien ungesund und unberechenbar. Dabei gehört es längst ins Reich der Mythen, dass in einem nach dem Reinheitsgebot gebrauten Bier nur Wasser, Hopfen und Malz enthalten sind.
Auch Traditionalisten unter den Brauern geben hinter vorgehaltener Hand zu, dass unter bestimmten Voraussetzungen „ganz legal" künstliche Süß- oder Farbstoffe in den Sud gekippt werden. Was macht da schon ein wenig Benzoesäure aus, wenn sich das Bier dafür einige Monate länger im Kühlfach hält. Solche Sude, die unter der Flagge des Reinheitsgebots angesetzt werden, unterliegen vielmehr einer angepassten Brauverordung aus dem Jahre 1993.
Trotz allem, klar ist: Das Reinheitsgebot von 1516 ist im Kern keineswegs eine schlechte Sache. In grauer Vorzeit, war Bier ein wüstes Gebräu, bei dem niemand vor Experimenten zurückschreckte, die nicht nur geschmackliche Verfeinerungen, sondern auch Manneskraft, Gesundheit und ewiges Leben versprachen.
Aber in vielen Fällen führte der Biergenuss zu Krankheit und Tod, was weniger an den konsumierten Mengen als an den mörderischen Zutaten lag: Fliegenpilze, giftige Stechäpfel, Maiglöckchen oder Bilsenkraut, das die Rauschwirkung massiv verstärkte. Bekannt ist auch, dass noch im Mittelalter so köstliche Ingredienzien wie Bullenblut, Ochsengalle und Hammelhoden als Bierwürze verwendet wurden.
Da war es nur begrüßenswert, das der genussfreudige Herzog Wilhelm IV. von Bayern seinerzeit mit einem Reinheitsgesetz konterte - auch wenn die wahren Gründe für den Erlass ganz anderer Natur waren. Aber die vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt, dass ein 500 Jahre altes Reinheitsgebot nicht mehr ausreicht, um hierzulande den sinkenden Bierkonsum und den Sterbeprozess lokaler Braustätten zu stoppen. Der Bierabsatz ist bei uns seit Jahren rückläufig und der Preiskampf um die billigste Stiege macht vielen Kleinbrauern arg zu schaffen. Händler, die einen Kasten Bier über zehn Euro anbieten, gelten bereits als Wucherer und Betrüger.
Und so sinkt angesichts immer neuer Rabattschlachten der Literpreis von Jahr zu Jahr auf immer neue Tiefstände. Mit dem Preis gehen leider auch Qualität und Individualität des Bieres immer weiter in den Keller. Aber es gibt Erlösung: Still und heimlich, vom Massenkonsumenten noch gar nicht registriert, verändert sich eine über Jahrhunderte gewachsene Bierlandschaft. Junge Brau-Pioniere mischen den Mark mit kreativen Rezepturen und individuellen Hopfenbomben auf.
Ihre meist obergärigen Spezialitäten nennen sich India Pale Ale (IPA), Stout oder Imperial Ale und sind alles andere als das, was deutsches Einheitspils aus dem Discounter-Laden repräsentiert. Diese Craft-Biere sind bei erhöhtem Rohstoffeinsatz, insbesondere von Aroma-Hopfen, ungewöhnliche Malz-Kombinationen und seltenen Hefe-Kulturen, aber auch bei hohem handwerklichen Aufwand natürlich um einiges teurer - aber meistens auch viel besser - als die bekannten „TV-Gerstensude". Bei diesen Industriesäften liegt der größte Kraftakt in der Regel weniger in der Qualität als bei den eingesetzten Werbemillionen.
Zugegeben, die Begriffsvielfalt für die neuen Wunderdrinks ist für den Laien noch etwas verwirrend: Was heute immer mehr in Szenekneipen und Lifestyle-Restaurants ausgeschenkt wird, nennt sich Craft-Bier, Genussbier, Edelbier oder Kreativbier. Da kommt der deutsche Pils-Experte, der an etwas dürftige Geschmacksmuster gewöhnt ist, wohl etwas durcheinander.
Für Craft-Brauer ist ihr Job aber vor allem eine Frage der Philosophie: Sie stehen auf ein hohes Experimentierniveau und vielseitige Geschmacksmuster. Im Vordergrund stehen Innovationsgeist und kreative Begabung des Machers, der mit interessanten Rohstoffkombinationen - fern vom deutschen Einheitsgeschmack - ein ganz individuelles Produkt schafft.
Das Bier duftet und schmeckt dann mal nach Mandarine, Melone, Grapefruit und Papaya oder sogar nach Schokolade. Alle Rohstoffe sind strikt nach dem Reinheitsgebot ausgerichtet. Das Geheimnis dieser Geschmacksnuancen liegt primär in der Verwendung und der Kombination von Aromahopfen. Und hier geben selbst renommierte deutsche Bierexperten zu, dass US-Brauereien auf diesem Gebiet inzwischen weltweit führend sind - und nicht nur weil sie über eine längere Erfahrung verfügen.
Der amerikanische Biermarkt war vor gut zehn Jahren noch zu 99 Prozent in der Hand von einem halben Dutzend Großbrauereien, die Shops und Theken mit industriellen Massenbieren dominierten. Inzwischen konnten Craft-Brewer einen wertmäßigen Marktanteil von rund 15 Prozent erzielen - und das bei immer noch wachsender Dynamik.
Ales aus Kalifornien, Colorado, Michigan und New York sind auch hierzulande schon längst in speziellen Bierläden und Online-Shops angekommen. Das belebt den etwas verstaubten Bier-Markt - vor allem in Berlin, wo Craft-Spezialitäten in den Szene-Bars derzeit absolut im Trend liegen.
In Deutschland ist der sogenannte Craft-Biermarkt zwar noch ein kleines Pflänzchen, das aber stetig wächst und schon viele bunte Blüten treibt. Auch in Fragen des Geschmacks stehen hiesige Brauer inzwischen ihren amerikanischen Vorbildern in nichts mehr nach. Wer wissen will, wie jenseits industrieller Produktionsverfahren gutes deutsches Kreativbier schmeckt, sollte mal ins bayerische Truchtlaching zu Camba Bavaria, nach Schönram zu Eric Toft, zum Hopfenstopfer nach Bad Rappenau, zur Kreativbrauerei Kehrwieder nach Hamburg fahren oder beim Schoppe-Bräu in Berlin einkehren.
Und das ist nur eine kleine Auswahl an Craft-Bier-Pionieren die gerade mit großem Ehrgeiz die Braulandschaft durcheinander wirbeln. Wer die frischen Bavarian IPAs, Coffee Porter, Pale Ales und Imperial Stouts aus den Sudkesseln dieser Brauer probiert hat, wird die Frage nach dem Reinheitsgebot von 1516 wohl nie mehr stellen.
Wenn sich in der Bundeshauptstadt eine kalifornische Brauerei ansiedeln will, dann führt das neuerdings zu Entrüstung, leidenschaftlichen Debatten und skurrilen Spekulationen - nicht nur bei Twitter, Facebook & Co. Eine Meute konventioneller deutscher Biertrinker wettert mit Begrifflichkeiten wie Ami-Plörre, Weiber-Brause oder Chemie-Gesöff. Angeblich produzieren wir doch hierzulande sowieso den besten Gerstensaft der Welt und tolle Brauereien gibt es auch schon genug. Also: Was wollen die Amis eigentlich hier, die ja nicht mal wissen, wie unser deutsches Reinheitsgebot funktioniert.
Ganz so neu sind diese Diskussionen jedoch keineswegs. Immer wenn Gefahr droht, dass fremde Brauer deutsche Grenzen überschreiten könnten, wird das Reinheitsgebot von 1516 als monströses Schutzschild aus der Waffenkammer gezerrt. Dann beginnt der verbale Kampf etablierter Verbände und einer Handvoll Großbrauereien, bei denen es meist nur um Profite und Marktanteile geht. Dabei braucht diese mächtige Lobby nicht mal die kleinen Craft-Bier-Produzenten zu fürchten, von denen selbst die größten der Branche im ganzen Jahr weniger produzieren als die Brau-Multis an einem Tag.
Viele der Argumente für eine harte Haltung beim Reinheitsgebot führen denn auch ins Absurde: Die Propheten des Reinheitsgebots schüren jetzt wieder alte Ängste, moderne Craft-Biere enthielten untransparente Zutaten, seien ungesund und unberechenbar. Dabei gehört es längst ins Reich der Mythen, dass in einem nach dem Reinheitsgebot gebrauten Bier nur Wasser, Hopfen und Malz enthalten sind.
Auch Traditionalisten unter den Brauern geben hinter vorgehaltener Hand zu, dass unter bestimmten Voraussetzungen „ganz legal" künstliche Süß- oder Farbstoffe in den Sud gekippt werden. Was macht da schon ein wenig Benzoesäure aus, wenn sich das Bier dafür einige Monate länger im Kühlfach hält. Solche Sude, die unter der Flagge des Reinheitsgebots angesetzt werden, unterliegen vielmehr einer angepassten Brauverordung aus dem Jahre 1993.
Trotz allem, klar ist: Das Reinheitsgebot von 1516 ist im Kern keineswegs eine schlechte Sache. In grauer Vorzeit, war Bier ein wüstes Gebräu, bei dem niemand vor Experimenten zurückschreckte, die nicht nur geschmackliche Verfeinerungen, sondern auch Manneskraft, Gesundheit und ewiges Leben versprachen.
Aber in vielen Fällen führte der Biergenuss zu Krankheit und Tod, was weniger an den konsumierten Mengen als an den mörderischen Zutaten lag: Fliegenpilze, giftige Stechäpfel, Maiglöckchen oder Bilsenkraut, das die Rauschwirkung massiv verstärkte. Bekannt ist auch, dass noch im Mittelalter so köstliche Ingredienzien wie Bullenblut, Ochsengalle und Hammelhoden als Bierwürze verwendet wurden.
Da war es nur begrüßenswert, das der genussfreudige Herzog Wilhelm IV. von Bayern seinerzeit mit einem Reinheitsgesetz konterte - auch wenn die wahren Gründe für den Erlass ganz anderer Natur waren. Aber die vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt, dass ein 500 Jahre altes Reinheitsgebot nicht mehr ausreicht, um hierzulande den sinkenden Bierkonsum und den Sterbeprozess lokaler Braustätten zu stoppen. Der Bierabsatz ist bei uns seit Jahren rückläufig und der Preiskampf um die billigste Stiege macht vielen Kleinbrauern arg zu schaffen. Händler, die einen Kasten Bier über zehn Euro anbieten, gelten bereits als Wucherer und Betrüger.
Und so sinkt angesichts immer neuer Rabattschlachten der Literpreis von Jahr zu Jahr auf immer neue Tiefstände. Mit dem Preis gehen leider auch Qualität und Individualität des Bieres immer weiter in den Keller. Aber es gibt Erlösung: Still und heimlich, vom Massenkonsumenten noch gar nicht registriert, verändert sich eine über Jahrhunderte gewachsene Bierlandschaft. Junge Brau-Pioniere mischen den Mark mit kreativen Rezepturen und individuellen Hopfenbomben auf.
Ihre meist obergärigen Spezialitäten nennen sich India Pale Ale (IPA), Stout oder Imperial Ale und sind alles andere als das, was deutsches Einheitspils aus dem Discounter-Laden repräsentiert. Diese Craft-Biere sind bei erhöhtem Rohstoffeinsatz, insbesondere von Aroma-Hopfen, ungewöhnliche Malz-Kombinationen und seltenen Hefe-Kulturen, aber auch bei hohem handwerklichen Aufwand natürlich um einiges teurer - aber meistens auch viel besser - als die bekannten „TV-Gerstensude". Bei diesen Industriesäften liegt der größte Kraftakt in der Regel weniger in der Qualität als bei den eingesetzten Werbemillionen.
Zugegeben, die Begriffsvielfalt für die neuen Wunderdrinks ist für den Laien noch etwas verwirrend: Was heute immer mehr in Szenekneipen und Lifestyle-Restaurants ausgeschenkt wird, nennt sich Craft-Bier, Genussbier, Edelbier oder Kreativbier. Da kommt der deutsche Pils-Experte, der an etwas dürftige Geschmacksmuster gewöhnt ist, wohl etwas durcheinander.
Für Craft-Brauer ist ihr Job aber vor allem eine Frage der Philosophie: Sie stehen auf ein hohes Experimentierniveau und vielseitige Geschmacksmuster. Im Vordergrund stehen Innovationsgeist und kreative Begabung des Machers, der mit interessanten Rohstoffkombinationen - fern vom deutschen Einheitsgeschmack - ein ganz individuelles Produkt schafft.
Das Bier duftet und schmeckt dann mal nach Mandarine, Melone, Grapefruit und Papaya oder sogar nach Schokolade. Alle Rohstoffe sind strikt nach dem Reinheitsgebot ausgerichtet. Das Geheimnis dieser Geschmacksnuancen liegt primär in der Verwendung und der Kombination von Aromahopfen. Und hier geben selbst renommierte deutsche Bierexperten zu, dass US-Brauereien auf diesem Gebiet inzwischen weltweit führend sind - und nicht nur weil sie über eine längere Erfahrung verfügen.
Der amerikanische Biermarkt war vor gut zehn Jahren noch zu 99 Prozent in der Hand von einem halben Dutzend Großbrauereien, die Shops und Theken mit industriellen Massenbieren dominierten. Inzwischen konnten Craft-Brewer einen wertmäßigen Marktanteil von rund 15 Prozent erzielen - und das bei immer noch wachsender Dynamik.
Ales aus Kalifornien, Colorado, Michigan und New York sind auch hierzulande schon längst in speziellen Bierläden und Online-Shops angekommen. Das belebt den etwas verstaubten Bier-Markt - vor allem in Berlin, wo Craft-Spezialitäten in den Szene-Bars derzeit absolut im Trend liegen.
In Deutschland ist der sogenannte Craft-Biermarkt zwar noch ein kleines Pflänzchen, das aber stetig wächst und schon viele bunte Blüten treibt. Auch in Fragen des Geschmacks stehen hiesige Brauer inzwischen ihren amerikanischen Vorbildern in nichts mehr nach. Wer wissen will, wie jenseits industrieller Produktionsverfahren gutes deutsches Kreativbier schmeckt, sollte mal ins bayerische Truchtlaching zu Camba Bavaria, nach Schönram zu Eric Toft, zum Hopfenstopfer nach Bad Rappenau, zur Kreativbrauerei Kehrwieder nach Hamburg fahren oder beim Schoppe-Bräu in Berlin einkehren.
Und das ist nur eine kleine Auswahl an Craft-Bier-Pionieren die gerade mit großem Ehrgeiz die Braulandschaft durcheinander wirbeln. Wer die frischen Bavarian IPAs, Coffee Porter, Pale Ales und Imperial Stouts aus den Sudkesseln dieser Brauer probiert hat, wird die Frage nach dem Reinheitsgebot von 1516 wohl nie mehr stellen.