Die Energiewende ist unter Beschuss: sie sei zu teuer, die Wirtschaft leide, wir verschenken hoch subventionierten Strom und konventionelle Kraftwerke müssen abgeschaltet werden. Europa hat ein Beihilfe Verfahren eingeleitet und will das erneuerbare Energien Gesetz (EEG) und die gesamten Ausnahmen für Industrie- Unternehmen kippen.
Eindeutig, die Energiewende hat ein Problem. Sie hat ohnehin ein Imageproblem, was man daran erkennt, dass jede Menge Mythen verbreitet werden und über die positiven Wirkungen eisern geschwiegen wird: die Wertschöpfung und Arbeitsplätze, die in den vergangenen Jahren in den Bereichen erneuerbare Energien, Energieeffizienz und mehr und mehr auch Infrastruktur und nachhaltige Mobilität entstanden sind, es redet niemand über niedrige Börsenpreise für Strom, von denen mittlerweile viele Industriekunden in Deutschland aber auch Europa profitieren können.
Oder aber über die vermiedenen Importe fossiler Energien in einer Größenordnung von bis zu 10 Mrd. Euro im Jahr, die durch die Energiewende eingespart werden. Deutschland hat in den vergangenen 10 Jahren 1 Billion Euro für fossile Energien bezahlt, ohne Energiewende werden es 2 Billionen Euro. Nicht die Energiewende, sondern die Nicht- Energiewende verursacht somit Kosten-Tsunamis. Behauptet wird allerdings das Gegenteil.
Was tun also mit der angeblichen Problem-Energiewende? Die Gegner der Energiewende wollen sie so schnell wie möglich wieder abschaffen, oder zumindest eindampfen, damit sie möglichst lange noch im Status Quo verharren können. Was wird die neue Bundesregierung tun?
Zwar beteuert sie die weitere Fortführung der Energiewende und will den Stellenwert erhöhen, schafft nun endlich ein eigenes Energieministerium, allerdings angekoppelt an das Wirtschaftsministerium. Schön wäre ein Energiewende-Ministerium gewesen, welches die Interessen bündelt und weder Umwelt, Wirtschaft, Bau Verkehr Landwirtschaft oder anderen den Vorzug gibt.
Die Wirtschaft rückt in den Vordergrund
Leider hat man dies wohl eher nicht im Sinn und will die Wirtschaft in den Vordergrund rücken. Dies birgt die Gefahr, dass vor allem die Wirtschaftsinteressen der konventionellen Energiebetreiber stärkeres Gewicht bekommen. Allerdings hat ja die Energiewende zum Ziel, den Anteil konventioneller Energien immer weiter zurückzuführen und den Anteil erneuerbaren Energien zu erhöhen.
Der Koalitionsvertrag lässt in Punkto Energiewende auch eher erahnen, dass man die Energiewende eher ausbremsen als fortführen soll: die Energiewende soll einem Ausbau - Korridor folgen, was de facto eher einer Ausbau-Bremse vor allem von Windenergie an Land gleich kommt - dabei wäre dieser gerade im Süden und in Mitteldeutschland unablässig.
Ein Klimaschutzgesetz für Deutschland wird nicht angestrebt. Dies ist bedauerlich, da man in Deutschland die angestrebten 40 Prozent Emissionsminderung bis zum Jahre 2020 mit den derzeitigen Maßnahmen nicht wird schaffen können. Immerhin will sich die neue Bundesregierung für die Rettung des Europäischen Emissionsrechtehandels einsetzen, allerdings einmalig und begrenzt 900 Millionen Tonnen überschüssige Zertifikate aus dem Markt nehmen.
Der Emissionsrechtehandel krankt derzeit an zahlreichen überschüssigen Zertifikaten, die durch falsche Zuteilungen, immer weiter steigende Anzahl von internationalen Zertifikaten, einer zurückgehenden wirtschaftlichen Entwicklungen und statische langfristige Emissionsobergrenzen entstanden sind.
Dabei hat sich mittlerweile ein Überschuss von 1,4 Mrd. Tonnen überschüssigen Zertifikaten gebildet. Diese sollten dem Markt dauerhaft entzogen werden, damit sich der Zertifikatepreis wieder stabilisieren kann. Der derzeitige zu niedrige CO2-Preis von knapp 5 Euro pro Tonne CO2 ist viel zu niedrig, um ausreichend finanzielle Anreize für den Bau von Gas- und Pumpspeicher- statt Kohle- Kraftwerken zu geben.
Leider sieht der Koalitionsvertrag nur eine einmalige Herausnahme von 900 Millionen Tonnen vor, und will diese dem Markt wieder zuführen. Dies wird es so gut wie keine Effekte auf den CO2 Preis geben. Somit fehlen weiterhin Anreize auf den Bau weiterer Kohlekraftwerke zu verzichten.
Fakt ist, dass es derzeit einen deutlichen Strom- Angebotsüberschuss gibt, da noch immer viele alte Kohlekraftwerke am Netz sind, die restlichen Atomkraftwerke gehen erst in den kommenden 10 Jahren nach und nach vom Netz. Es herrscht ein Stromüberschuss gerade im Norden, Westen und Osten Deutschlands.
Nicht nur, weil immer mehr Erneuerbare Energien ans Netz kommen, sondern weil in nicht ausreichendem Maße Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Es sind derzeit zahlreiche Kohlekraftwerke zur Stilllegung angemeldet worden. In den Gebieten mit deutlichem Stromüberschuss wäre es sehr sinnvoll, überschüssige Kapazitäten abzubauen.
Neue Subventionen für konventionelle Kraftwerke, welche durch so genannte Kapazitätsmärkte erwirkt werden sollen, wären in den kommenden 10 Jahren eher schädlich als nützlich. Durch zunehmende Angebotsknappheiten werden Strompreisspitzen an der Börse entstehen, welche notwendig sind, um Gas- oder auch Pumpspeicherkraftwerke wirtschaftlich zu machen. Mit einem Kapazitätsmarkt würden diese Preissprünge verhindert werden. Dies wäre schädlich und würde die falschen Anreize setzen. Außerdem ist ein Kapazitätsmarkt teuer: bei falscher Ausgestaltung kann der Strompreis um weitere 7 Cent/kwh steigen.
Das EEG sollte beibehalten werden
Das EEG hat bisher gute Dienste geleistet, es gibt ausreichende Planungssicherheit für Investoren kann die Kosten viel besser kontrollieren als andere Instrumente. Quotenmodelle beispielsweise führen keineswegs zu Kostenreduktionen, mehr Effizienz und Innovationen, wie oftmals behauptet wird.
Im Gegenteil: empirische Studien über das in England und Schweden eingeführte Quotenmodell zeigen deutlich, dass höhere Risikoaufschläge der Kapitalgeber die Kosten deutlich steigen ließen, zudem bleiben die gewünschten Innovationen eher aus. Aus diesem Grund sollte das EEG in Deutschland zwar modifiziert und geändert, aber unbedingt beibehalten werden.
Deutschland sollte Brüssel deutlich machen, dass das EEG keine Beihilfe im klassischen Sinne ist, dafür aber ein effektives Instrument für die Umsetzung der Energiewende, allerdings die bisher gewährten und kürzlich immer weiter ausufernden Ausnahmen für Industrieunternehmen wieder auf ein vernünftiges Maß reduziert werden sollten.
England beispielsweise verabschiedet sich aufgrund der Fehlfunktionen des Quotenmodells von diesem System und will eine EEG ähnliche Umlage einführen, allerdings in diesem Fall auch für den Bau neuer Atomkraftwerke. Anders als bisher immer behauptet sind Atomkraftwerke nicht rein marktwirtschaftliche betreibbar und benötigen umfassende Subventionen.
England plant eine Umlage in der Höhe von 11 Cent/kwh mit weiteren Steigerungen über einen Zeitraum von 35 Jahren. Die Kosten der erneuerbaren Energien sinken immer weiter, an guten Standorten sind Kosten von 6-9 Cent/ kwh möglich. Weitere Kostensenkunken durch technologische Innovationen und steigender Nachfrage werden die Erneuerbaren Energien immer preiswerter machen. Atomenergie wird hingegen aufgrund steigender Sicherheitsanforderungen immer teurer. Solange nahezu alle EU Ländern EEG ähnliche Umlage-System haben oder planen einzuführen, kann Deutschland offensiv auftreten und die deutsche Energiewende verteidigen, wenn sie es denn will.
Die neue Bundesregierung ist somit an vielen Fronten gefordert, die Energiewende erfolgreich umzusetzen.
1. Kosteneffizienz: das EEG kann Kosteneffizienz garantieren, wenn die Vergütungssätze an reale Kostenentwicklungen angepasst werden. Die ausufernden Ausnahmeregelungen für die Industrie sollten auf ein vernünftiges Maß reduziert werden, somit könnten private Haushalte und kleinere Unternehmen, die bisher die volle EEG Umlage bezahlen, 1-2 Cent/kwh entlastet werden, ein vier köpfiger Haushalt also bis zu 70 Euro im Jahr einsparen.
Netze brauchen nicht „bis zur letzten Kilowattstunde" ausgebaut werden, Flexibilitätsoptionen wie Nachfrage- und Lastmanagement, können Kosten optimieren. Zudem könnten Haushaltskunden schon heute entlastet werden, wenn die preissenkenden Faktoren weiter gegeben werden würden.
Dies findet oftmals nur bei Großkunden statt, die sich allerdings sehr lautstark öffentlich gegen die Energiewende aussprechen. Dabei muss beachtet werden: Bei einem durchschnittlichen Unternehmen machen die Stromkosten 3-5 Prozent aller Gesamtkosten aus. Bei energieintensiven Unternehmen ist dieser Anteil bedeutend höher.
2. Bewahrung Industriestandort: Für energieintensive Unternehmen, die wirklich im internationalen Wettbewerb stehen und hohe Energiekosten haben, macht es durchaus Sinn, diese von überhöhten Zahlungen auszunehmen.
Dies ist übrigens auch mit dem EU-Recht konform und wird auch beim Emissionsrechtehandel praktiziert. Beim Emissionsrechtehandel werden ja ungefähr 850 Unternehmen ausgenommen, durch die deutsche Regelung sind es mittlerweile 2800 Unternehmen. Es ist sinnvoll, diese Zahl wieder auf ein vernünftiges Maß zu vermindern.
Es darf auch nicht vergessen werden: Preise sind nicht gleich Kosten: je sparsamer Unternehmen mit Energie umgehen, desto geringer die Kosten. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die Ausnahmeregelungen an Gegenleistungen zu koppeln. Unternehmen sollten daran gemessen werden, welche Maßnahmen zum sparsamen Umgang mit Energie getroffen werden.
Unternehmen wandern übrigens nur in den seltensten Fällen wegen Energiekosten ab. Die Motive für Unternehmensverlagerungen sind vielschichtig, doch zumeist auf Präsenz im ausländischen Markt, steuerliche Vergünstigungen, Qualifikation der Fachkräfte oder aber wirtschaftliche Stabilität zurückzuführen.
Die Ankündigung vieler Unternehmen, wegen hoher Stromkosten abzuwandern, ist somit eher eine Drohkulisse, um politische Entscheidungen zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Anders ist es allerdings bei den Gas-Kosten: in der Tat ist der Gaspreis in den USA derzeit nur halb so hoch wie in Europa und Deutschland.
Dies liegt jedoch an der starken Förderung von unkonventionellem Gas durch das umweltschädliche Fracking. In Deutschland gibt es keine derartigen Gas- Förderungspotentiale, somit ist Deutschland auf Importe angewiesen. Vor allem russische Gas- Liefer Unternehmen verlangen sehr hohe Gaspreise.
Um diese spürbar zu senken, müsste man auf eine Diversifikation der Gas-Lieferungen setzen. Anstelle einer teuren Erdgaspipeline durch die Nordsee zu bauen, der langfristig überhöhte Gaspreise Russlands festschreibt, wäre ein LNG (Liquified Natural Gas) Terminal effizienter gewesen, da man flexibler Gas importieren kann und so von den günstigen Preisen würde mehr profitieren können.
Leider verzichtet auch Europa auf verstärkte Diversifikation: durch die Nabucco Pipeline im Südosten Europas hätte man mehr Wettbewerb in den Gasmarkt bringen können und Gas statt aus Russland aus anderen Ländern importieren können. An der deutsch-russischen Pipeline, die uns jetzt teures Gas beschert, sind übrigens nicht wenige große Chemie- Unternehmen beteiligt, genau diejenigen, die sich jetzt öffentlich über zu hohe Energiekosten beschweren - und dabei verschweigen, dass nicht die Stromkosten gemeint sind - den Strom produzieren sie ohnehin selbst - sondern Gas, und sie selbst für diese Preis-Entwicklung mit verantwortlich sind.
3. Versorgungssicherheit: Die erneuerbaren Energien müssen zukünftig mehr Versorgungssicherheit übernehmen, effiziente Standorte gewählt werden, zudem Flexibilitätsoptionen durch eine kluge Steuerung von Angebot und Nachfrage mehr an Bedeutung gewinnen. Zukünftig werden ebenso mehr Speicherlösungen gefragt werden. Intelligente Netze sorgen für Effizienz und erhöhen die Versorgungssicherheit.
4. Energieeffizienz: Die Energiewende ist nicht nur eine Strom- Angebotswende sondern muss ebenso die Gebäudeenergie und nachhaltige Mobilität berücksichtigen. Gerade im Gebäudebereich lassen sich hohe Energiemengen und somit Energiekosten einsparen. Auch die Mobilität muss auf Nachhaltigkeit ausgerichtet werden.
Insgesamt hat die neue Bundesregierung somit eine Herkulesaufgabe vor sich, die allerdings auf Langfristigkeit ausgerichtet ist.
Es ist ein Marathonlauf, die ersten Kilometer sind geschafft. Es ist wichtig, dass nun mit ausreichender Ausdauer und Standfestigkeit die Erreichung der Energiewende-Ziele oberste Priorität haben sollten. Ein erster wichtiger Schritt wäre schon einmal, die Energiewende nicht mehr schlecht zu reden und Mythen zu entlarven. Das wäre ein guter Start ins neue Energiewende- Jahr