Quantcast
Channel: Huffington Post Germany Athena
Viewing all articles
Browse latest Browse all 40759

Zeit der Reife

$
0
0
Gute vier Wochen sitzt der Kunstberater Helge Achenbach nun schon in Untersuchungshaft - ein Schicksal, das, wenn man ihn kennt, er und seine Familie sich wohl kaum jemals 'eralpträumt' haben dürften.

Heerscharen von Journalisten haben seither in den seltensten Fällen Gutes geschrieben, meist scheint die Intention des Gefasels auf dem Niveau angesiedelt zu sein, das Helge Achenbach als Beweggrund seines ihm vorgeworfenen betrügerischen Handelns in den Artikeln angedichtet wird. Schon Bundespräsidenten sind schuldig geschrieben worden, was letztlich von den Vorwürfen gegenüber Achenbach übrig bleibt, wird man sehen, noch kann man der Objektivität der Justiz deutlich besser vertrauen als der des Kunstmarkts.

Betrug und Urkundenfälschung sind die Delikte, derer er sich zu verantworten haben wird. Schockierend, wenn es denn stimmt. Ähnlich schockierend ist aber auch die unsägliche Unmündigkeit und Korrumpierbarkeit der Schichten in unserer Gesellschaft, die sich selbst zum Bildungsbürgertum zählen und von denen man erwarten sollte, dass es in ihrer Beschäftigung mit der Kunst um mehr geht als reine Geldanlage, um mehr geht als das Bedürfnis, zu zeigen, dass man Geld hat und um mehr geht als zu zeigen, zum Club der Exklusiven zu gehören.

Man bedient sich eines Kunstberaters, eines Art Consultant, um das Kunstprodukt auf dem Markt zu kaufen, der es durch dieses fatale Zusammenspiel von Kunstberatung/Kunsthandel, Museum und in vielen, vielen Fällen eben jenen ahnungslosen Käufern/Sammlern erst zu dieser teuren, erstrebenswerten Ware macht.

Wie wertvoll und schön wäre es doch, wenn es diesen Kreisen, die über die nötigen finanziellen Mittel und oft auch die Zeit verfügen, wirklich um die Auseinandersetzung mit der Kunst und dem einzelnen Werk ginge. Wie kultiviert und vorbildhaft es doch wäre, wenn diese Personen sich anstelle eines Kunstberaters einen der zahllosen Arbeit suchenden Kunstwissenschaftler zur Seite nähmen und sich auf das Abenteuer Kunst von Innen heraus einließen.

Die logische Konsequenz dieser Abenteuerreise der Opinionleader wäre dann endlich irgendwann die erträumte Frage, was denn eigentlich an Thomas Struths Foto in den brasilianischen Urwald so gut sei - vielleicht doch 'nur' die Schönheit der abgebildeten Natur oder der Fakt, dass Brasilien gerade hip ist?! Sicher auch kommt dann die Frage auf, was an Martin Kippenbergers Werk so toll sei, dass es in kürzesten Zeiträumen für das Doppelte oder Vielfache an Dollars oder Euros, was macht das schon für einen Unterschied, über die Theke geht. Unzählige Beispiele für ähnliche Fragestellungen lassen sich so entspannt aus dem Ärmel schütteln wie bei den Käufern die Geldscheine.

Und weiter geht diese Reise der Reife beim Kunst-Rezipienten und führt mit seinen Fragestellungen dazu, dass die gähnende Langeweile in den ständigen Sammlungen zeitgenössischer Kunst der deutschen Museen endlich ein Ende hat. Immer die selben Protagonisten an den heiligen Wänden mit der x-fachen Version des selben Themas, Stils, Duktus... Endlich anderes auf den Putz - Abenteuer des Entdeckens evoziert Abenteuer des Produzierens!

2014-07-13-Bild3.jpeg

Also, ihr Albrechts, Boehringer und wie ihr alle heißen mögt, versteht die Zeichen der Zeit, emanzipiert euch, werdet reif, schaut dem Künstler mit euren eigenen Augen über die Schulter, macht euch ein Bild und gebt dem Bild, das ihr euch anschaut den Wert, den es nur durch den Blick des wissenden Beschauers erhält. Gebt euch, gebt den vielen großen Künstlern, die keiner kennt, gebt letztlich der Kunst eine Chance.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 40759

Trending Articles



<script src="https://jsc.adskeeper.com/r/s/rssing.com.1596347.js" async> </script>