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Technikfeindlichkeit: Die Angst der Deutschen vor neuen Technologien

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Wir Deutschen sehen uns selbst gern als innovativ, als offen für neue Technologien und als Pionier, was alles Neue angeht.

Das einzige Problem daran: Unser Selbstbild ist falsch. In Wirklichkeit haben es neue Ideen bei uns besonders schwer. Denn kaum ein Land ist so technikfeindlich wie Deutschland. Und wir sind auch noch stolz darauf.

Es ist nicht lange her, da war Deutschland in heller Aufregung. Da plante ein amerikanischer Internetkonzern, die wichtigsten Straßen dieser Welt abzufotografieren, damit sich Internet-Nutzer virtuell durch die Häuserschluchten bewegen können. Diese Kamera-Fahrzeuge sollten auch nach Deutschland kommen.

Doch die Deutschen protestierten so hysterisch, als ginge es um Kameras in ihrem Badezimmer. Google lenkte ein und gab Hausbesitzern die Möglichkeit, ihr Gebäude zu verpixeln.

Die Welt amüsierte sich. Und die Deutschen waren stolz. Das kleine Dorf Bundesrepublik hatte es der globalen Technik-Welt gezeigt. Wieder einmal.

Heute, rund fünf Jahre später, spricht niemand mehr davon. Auch die Skepsis von einst ist verflogen. Man fragt sich nur noch: Wie war die Suche nach einer Wohnung eigentlich in Zeiten vor Google Street View möglich?

Eine Geschichte, wie es in den vergangenen Jahren viele zu erzählen gab. Erinnern Sie sich noch an diese sozialen Netzwerke, die unsere Beziehungen verkümmern lassen?

An E-Reader, die die Kulturtechnik Lesen zerstören?

An PCs, die Millionen Menschen arbeitslos machen?

An Biotech-Startups, die an gefährlicher Frankenstein-Medizin arbeiten?

Deutschland ist nicht nur skeptisch, was neue Technologien angeht. Oft schlägt der Skeptizismus in regelrechten Hass um. Von Google bis zu Pharma-Startups haben das viele Unternehmen erlebt. Hass entsteht übrigens besonders oft dort, wo viel Unwissen herrscht.

Es gab eine Zeit, in der deutsche Forscher die meisten Patente im Bereich Gen-Forschung eingereicht haben. In den 80er Jahren war das.

Mittlerweile sind viele Pharma-Unternehmen mit ihrer Gen-Forschung ins Ausland geflüchtet, viele Wissenschaftler sind ihnen gefolgt.

2009 hat das US-Magazin Newsweek einmal über die Deutschen geschrieben, dass kein anderes Industrieland so technikfeindlich sei.

Damit haben die Autoren bis heute Recht.

Neue Ideen werden erst einmal von einem gut funktionierenden antifortschrittlichen Immunsystem abgewehrt.

Ich gehe jede Wette ein, dass Googles Datenbrille Glass einen neuen Sturm der Entrüstung auslösen wird, wenn sie bei uns auf den Markt kommt. Vielleicht werden neue Straßenschilder erfunden, die den Einsatz der Datenbrillen regeln. Nein: Ein Gesetz!

Ähnliches wird passieren, wenn die ersten Drohnen ausfliegen, um Pizzen oder Pakete auszuliefern.

Oder haben Sie einmal die Debatte über das vernetzte Haus verfolgt? Hier überwiegt bei vielen Deutschen die Angst vor Überwachung; und wenn das nicht zieht, verbreiten die Kritiker ein diffuses Gefühl des “Brauchen wir nicht”.

Dabei sinken in einem vernetzten Haus die Energiekosten; es wird sicher, und ja, es wird auch komfortabler.

Es ist nicht so, dass sich die Deutschen gar nicht auf neue Technologien einlassen würden. Smartphones, soziale Netzwerke, vernetzte Laufschuhe, E-Reader, Elektro-Autos, künstliches Insulin - all das gibt es auch bei uns. Vieles davon aber später als in anderen Ländern. Deutschland sei ein "digitales Entwicklungsland" schrieb die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" noch 2010.

Auf den ersten Blick mag das nicht sonderlich beunruhigend sein.

Auf den zweiten Blick ist es eine schmerzhafte Erkenntnis, dass kaum eine dieser Innovationen aus Deutschland stammt.

Ein Land, das bereit ist, sich eher auf neue Technologien einzulassen, wird auch mehr Unternehmen sehen, die sich in die neuen Bereiche vorwagen. So ist die Internet-Wirtschaft in skandinavischen Ländern traditionell wesentlich stärker als in Deutschland.

Nun werden Sie vielleicht einwenden, dass Deutschland immer noch Standort vieler Technologieunternehmen ist, die weltweit gefeiert werden.

Das ist wahr. Doch stehen viele dieser Technologiefelder vor einem gewaltigen Umbruch. Nehmen wir die Automobilindustrie, den Motor der deutschen Wirtschaft. Mit der Elektromobilität wird das, was ein Antrieb genannt wird, völlig neu definiert.

Auf einmal kann ein Batteriehersteller davon träumen, zu den größten Autoherstellern der Welt zu werden: Das chinesische Unternehmen BYD zum Beispiel, das in den Neunzigerjahren mit einer Handvoll Mitarbeiter Akkus gefertigt hat. 2015 will das Unternehmen größter Hersteller in China werden und 2025 sogar an die Weltspitze rücken.

In Kalifornen wiederum dreht das erste selbstfahrende Auto von Google seine Runden. Und die Sportwagen des Elektroauto-Herstellers Tesla gehören in China schon zu den beliebtesten Statussymbolen und könnte dort in den nächsten Jahren Abertausende Fahrzeuge absetzen. Dort, wo BMW und Mercedes bislang Erfolge feierten.

Und in Deutschland? Feiern die Hersteller Rekorde mit besonders schweren Luxus-Wagen. Noch. Sie sehen Innovationen wie den Elektroantrieb als Nischenanwendung. Und da zeigt sich ein altes Muster.

Die deutsche Industrie ist gut darin, Dinge immer weiter zu verfeinern. Zu verbessern, was für andere längst perfekt ist. Keine Frage, auch das ist eine Leistung.

Doch Technologiesprünge überleben Unternehmen damit nicht.

Es hilft nichts, immer größere Segel zu bauen, wenn andere schon auf Schiffe mit Verbrennungsmotor setzen.

Und es hilft nichts, so lange an neuen Produkten zu schrauben, bis sie perfekt sind. Erinnern Sie sich noch an das erste iPhone? Der Akku hielt gerade einmal einen halben Tag, wenn man es viel nutzte. Nokias Handys hielten Tage. Aber das iPhone revolutionierte unseren Umgang mit dem Internet. Dafür war es gut genug.

Schon bald werden wir in vernetzten Städten leben, unsere Wohnungen über Smartphones steuern, Möbel ausdrucken und unsere Energie aus (hoffentlich) saubereren Quellen beziehen.

Es steht zu befürchten, dass deutsche Unternehmen in zu wenig dieser Felder ein wahrnehmbare Rolle spielen werden.

Irgendwann in den vergangenen Jahrzehnten ist unserem Land die Freude am Neuen abhanden gekommen.

Vielleicht ist das typisch für eine Gesellschaft, in der die meisten Menschen den größten Teil ihres Lebens schon hinter sich haben.

Aber genau deshalb ist es an der Zeit, dass wir endlich darüber reden. Wir müssen darüber reden, wie wir das Thema in die Köpfe von Studenten kriegen, an die Schulen und an die Fachhochschulen.

Jüngere Menschen sind nachgewiesen technik-affiner. An ihnen liegt es, den Älteren klar zu machen, dass es nicht schick ist, wenig von Technik zu verstehen, sondern traurig.

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