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Ebola: Der zynische Umgang der Politik mit dem tödlichen Virus

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Ebola hat in den vergangenen Monaten Hunderte Menschen in Westafrika dahingerafft. Familien ausgelöscht, Dörfer entvölkert. So schlimm wie noch nie seit dem ersten großen Ausbruch der Krankheit 1976. Experten warnen hilflos, die tödliche Viruserkrankung mit einer Letalität von bis zu 90 Prozent sei außer Kontrolle. Und kaum einen kümmert’s.

Es gibt kein Medikament gegen Ebola, keinen Impfstoff, der die Afrikaner retten könnte. Und kaum einen kümmert’s.

Denn Experten sind sich ziemlich sicher, dass das Virus in Europa und anderen westlichen Ländern keinen größeren Schaden anrichten wird. Das Virus wird anders als etwa Grippe oder Schnupfen nur bei engem Kontakt zu Kranken verbreitet – damit ist das Risiko vor allem für die Angehörigen der Infizierten hoch, die sie pflegen – oder beerdigen.

Pharmaunternehmen müssten hunderte Millionen investieren

„Impfstoffe und Medikamente werden in der Regel auf Kosten der Pharmaunternehmen entwickelt, die dann die Kosten wieder über den Verkauf hereinholen müssen. Die Entwicklung solcher Substanzen kann hunderte Millionen Euro kosten“, sagt Stefan Becker, Direktor des Institut für Virologie an der Universität Marburg und einer der führenden Experten auf diesem Gebiet.

„Von Ebola sind viel zu wenige Menschen betroffen, als dass die Forschung an einem Impfstoff oder einem Medikament für irgendein Pharmaunternehmen wirtschaftlich interessant wäre“, sagt Becker. Zumal die betroffenen Menschen in armen Regionen lebten. Er spricht von 5000, andere Experten von 10.000 Betroffenen in etwa 50 Jahren.

ebola

Wie viele es sind, ist schwer zu sagen, weil längst nicht alle Fälle diagnostiziert werden. Derzeit ist etwa ein von der EU-Kommission gefördertes Team des deutschen Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Afrika, um die Helfer vor Ort in der Diagnose zu unterstützen.

Milliarden Betroffene ohne Hilfe

Die kommerzielle Orientierung in der Forschung betrifft nicht nur Ebola, sondern auch andere sogenannte vernachlässigte Krankheiten wie Tuberkulose, schreibt die Organisation Ärzte ohne Grenzen. „Jahr für Jahr sterben weltweit drei Millionen Menschen an Malaria und Tuberkulose, eine Milliarde Menschen leiden an vernachlässigten Tropenkrankheiten.“

Die Organisation kritisiert, dass Impfstoffe und Medikamente, selbst wenn es sie gibt, für den Einsatz in ärmeren Ländern oft ungeeignet seien, weil sie nur gespritzt statt eingenommen werden könnten, weil sie gut gekühlt werden müssten. Der Präsident des Pasteur-Instituts, Christian Bréchot, sagte, in den Jahren 2000 bis 2011 sei nur knapp ein Prozent der neuen Substanzen zur Bekämpfung dieser vergessenen Krankheiten gedacht gewesen.

Angst vor Terror


Ausgerechnet der globale Terrorismus bringt wenigstens etwas Bewegung in die Ebola-Forschung: „Die USA fürchten die Verwendung von Ebola für bioterroristische Zwecke und fördern deswegen die Produktion eines Impfstoffes“, sagt Virologe Becker. In diesem Ausmaß fördert seines Wissens nach sonst kein Staat diese Forschung.

Und damit spricht Becker einen kritischen Punkt an: „Wenn die Bekämpfung einer Krankheit in öffentlichem Interesse liegt, dann geben auch Regierungen Geld für die Forschung aus.“

Eine theoretische Bedrohung der Menschen im Westen kümmert also jemanden.

Bei Affen wirken die Impfstoffe

„Derzeit gibt es fünf bis sechs Impfstoffe, die Affen vollständig geschützt haben“, sagt Becker. Es sei sehr wahrscheinlich, dass diese Impfstoffe auch bei Menschen funktionieren. Aber um den Impfstoff für die Anwendung beim Menschen weiterzuentwickeln, brauche es noch klinische Studien an Menschen, die in drei Phasen verlaufen.

„In Phase zwei und drei müssten Menschen in einem Risikogebiet für die Krankheit geimpft werden und ihre Daten dann mit nicht geimpften Menschen verglichen werden“, sagt Becker. Im Fall von Ebola wisse man allerdings nicht, wo die Krankheit wieder ausbrechen werde, was vergleichende Tests sehr schwierig mache. In besonderen Fällen wie diesem könne ein Impfstoff auch nach nur einer klinischen Phase zugelassen werden.

Forscher des United States Army Medical Research Institute of Infectious Diseases (USAMRIID) und von US-Pharmafirmen haben im Fachmagazin „Nature“ in diesem April außerdem einen wirkungsvollen Ebola-Hemmstoff für Affen vorgestellt.

Bis zu einem für Menschen gemachten Medikament sind aber wie bei Impfungen wieder klinische Studien nötig. Nach Recherchen der „Welt“ hat das kanadische Unternehmen Tekmira mit US-Finanzierung zu Jahresbeginn den Start von ersten Tests an Menschen bekanntgegeben. Der einzige große Player sei aber das britische Unternehmen GSK.

Entwicklung kann mehr als ein Jahrzehnt dauern - oder zwei Jahre

„Wie lange es noch dauert, bis ein Impfstoff oder ein Medikament gegen Ebola auf den Markt kommen, ist nicht abzuschätzen“, sagt Virusexperte Becker. In der Regel dauere die Entwicklung eines Impfstoffes mindestens 10 bis 15 Jahre. „Wenn man sehr, sehr schnell arbeitet, könnten es auch nur zwei sein.“

„Sicher ist nur“, sagt Becker, „dass es viel schneller ginge, wenn die Betroffenen in den USA oder Europa lebten.“

Auch auf HuffingtonPost.de: Ebola-Epidemie weitet sich in Westafrika aus







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