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In 6 EU-Ländern scheiterten Rechtspopulisten bisher - was wir davon über den Umgang mit der AfD lernen können

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  • Von Finnland über Polen bis nach Zypern: In den meisten europäischen Parlamenten sitzen mittlerweile Rechtspopulisten

  • Nur sechs EU-Mitgliedsstaaten bilden eine Ausnahme: Portugal, Spanien, Malta, Slowenien, Rumänien und Irland

  • Warum dort rechtspopulistische Parteien bisher scheiterten, hat zwar im Detail unterschiedliche Ursachen - es gibt aber ein übergeordnetes Muster


Rechtspopulisten sind europaweit auf dem Vormarsch.

"Der Trend ist relativ klar, das zeigen die ansteigenden Wahlergebnisse dieser Parteien in den vergangenen Jahren", sagt Marcel Lewandowsky, Politikwissenschaftler von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

Ob in Tschechien, Finnland, Bulgarien oder wohl bald auch in Österreich - rechtspopulistische Parteien haben Regierungsverantwortung übernommen oder stellen sogar das Staatsoberhaupt, wie in Polen oder Ungarn. In einigen weiteren Ländern sind gleich mehrere rechtspopulistische oder extrem rechte Parteien im nationalen Parlament vertreten, wie in der Slowakei, Griechenland oder Italien.

Nur in 6 der 28 EU-Mitgliedsstaaten sitzen derzeit keine rechtspopulistischen Parteien im Parlament: In Irland, Portugal, Spanien, Malta, Rumänien und Slowenien.

Doch woran liegt das? Welche Besonderheiten weisen diese Länder auf? Und welche Konsequenzen lassen sich daraus, für den Umgang mit der AfD ziehen?

rechtspopulisten europa
Zum Vergrößern auf Grafik klicken. Quelle: Eigene Zusammenstellung


Das Phänomen Rechtspopulismus in Ost- und Westeuropa



Zwar sind die tiefgreifenden Ursachen, warum rechtspopulistische Parteien in den sechs Ländern bisher nicht Fuß fassen konnten verschieden, doch es gibt zwei übergeordnete Muster:

1. "In Westeuropa haben wir einen Dualismus zwischen Christ- und Sozialdemokraten - zwei demokratischen Parteien. Im Osten sehen wir hingegen einen Dualismus zwischen Kommunisten und Demokraten - dort existiert ein Systemkonflikt", sagt Timo Lochocki, Experte für rechtspopulistische Parteien in Europa beim German Marshall Fund (GMF) und Dozent für Europäische Politik an der HU Berlin.

"Wenn die Wähler also keine Lust mehr auf diesen Dualismus haben, dann wählen sie eine Protestpartei", erläutert Lochocki.

2. In Westeuropa haben Rechtspopulisten keinen Erfolg, wenn die Wähler mit der Identitätspolitik der regierenden Parteien zufrieden sind. Das heißt, wenn die Wähler das Gefühl haben, dass die Regierung Politik für die kulturelle, ethnische oder soziale Gruppe macht, der sie angehören. "Zudem brauchen die Rechtspopulisten im Westen ökonomisch gute Zeiten, um gewählt zu werden - so paradox wie das klingt", erklärt Lochocki.

Der Grund: Anders als die etablierten Parteien können Rechtspopulisten in der Regel keine breiten Wirtschaftskonzepte vorweisen.

Links- statt Rechtspopulismus in Spanien



Diese grundlegenden Muster lassen sich auch im Falle der sechs Ausnahmen erkennen. Besonders interessant ist hierbei der Fall Spanien.

Denn zunächst scheint es, als gebe es in Spanien gute Voraussetzungen für Rechtspopulisten.

Zwischen 2000 und 2010 hat sich in dem südeuropäischen Land nicht nur die Zahl der Migranten - hauptsächlich aus Südamerika und Afrika - auf fast 6 Millionen Menschen verdoppelt (12 Prozent der Bevölkerung), auch weist das Land mit 16,7 Prozent die zweithöchste Arbeitslosenquote der gesamten EU auf. Die soziale Ungleichheit ist groß.

Laut Rechtspopulismus-Experte Lochocki erklärt sich der Sonderstatus von Spanien erstens dadurch, dass der Faktor Identitätspolitik in Spanien "unbedeutend" ist.

Das heißt eine spanische nationale Identität ist relativ schwach ausgeprägt, auch weil regionale Identitäten - vorneweg in Katalonien und im Baskenland - weit bedeutender sind. Zudem assoziieren viele Spanier mit Nationalismus und Rassismus vor allem die faschistische Diktatur Francisco Francos, wie der spanische Politik-Professor José Ignacio Torreblanca dem "Economist" erklärte. Die Erfahrungen der Spanier mit dem autoritären Regime sind noch viel jünger, als die in vielen anderen Ländern. Die ersten freien Wahlen in Spanien waren 1977.

Zum Zweiten "wählen die ökonomisch Enttäuschten die linkspopulistischen Parteien", betont Lochocki. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Bevölkerung Migration sowie Globalisierung positiv gegenübersteht.

Die Ausnahmefälle: Von Portugal über Rumänien bis Irland



Dass in Spaniens Nachbarland Portugal ebenfalls keine Rechtspopulisten im Parlament sitzen, hat ähnliche Gründe. "Der Erfolg der Linkspopulisten in Südeuropa geht auf Kosten des Rechtspopulismus", sagt Andreas Johansson Heinö, Politikwissenschaftler und Verlagschef bei der liberalen schwedischen Denkfarbrik Trimbro.

Und ähnlich wie in Spanien kann "Portugals Aversion gegen rechte Politik" zum Teil durch das unrühmliche Erbe des faschistischen Diktators António Oliveira Salazar erklärt werden, wie das Nachrichtenportal "Politico" schreibt. Auch sind die Migranten, die hauptsächlich aus Brasilien, portugiesisch-sprachigen afrikanischen Ländern sowie aus Osteuropa kommen, vergleichsweise gut integriert.

Die beiden großen Parteien sind der Hauptgrund, warum rechtspopulistische Parteien in Irland bislang keine breite Unterstützung bekommen haben. Sowohl Fine Gael als auch Fianna Fáil sind beide konservative Parteien, die eine eher liberal, die anderer eher nationalistisch. Bisher haben die Wähler schlicht keine Alternative gesucht - auch weil sich identitätspolitisch keine größeren Konflikte auftaten.

Die Zeitung "Irish Examiner" nennt zwei weitere Faktoren: Zum einen hat Irland wie kaum ein anderer EU-Staat von der Globalisierung profitiert. "Sie war ein Segen", schreibt das Blatt, boomte doch die irische Wirtschaft dank ausländischer Direktinvestitionen.

Auch beim Thema Migration finden die Populisten keine Anknüpfungspunkte. "Einwanderung wurde und wird zum Großteil als positive Übung angesehen." Versuche, Stimmung gegen Einwanderer zu schüren, "sind weitgehend gescheitert", erklärt der "Irish Examiner".

Malta steht zwar im Mittelpunkt der Flüchtlingskrise, doch rechtspopulistische Parteien haben auch auf dem Inselstaat im Mittelmeer bis dato keinen Erfolg. So erreichte die Patriotische Bewegung Maltas bei der Parlamentswahl am 3. Juni nur 0,4 Prozent der Stimmen.

Ein Grund dafür ist die Anstrengung der maltesischen Regierung, eine starke Haltung zum Thema Zuwanderung einzunehmen. So drängt Malta fortwährend auf EU-Hilfe, um die Einwanderungszahlen niedrig zu halten und die Flüchtlinge in der EU zu verteilen.

Wie andere südosteuropäische Staaten hätte Rumänien das Potential für einen Erfolg rechtspopulistischer Parteien: Eine Wählerschaft, die zu den konservativsten Europas zählt, und grassierende Korruption. So versuchten auch gleich mehrere rechtspopulistische Parteien bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr ihr Glück - alle scheiterten.

Warum? Das hat einerseits historische Gründe, wie das Portal "Open Democracy" ausführt.

Denn rechte Parteien dominierten die politische Landschaft des Landes in den Jahren nach dem Ende des Kommunismus. Bis heute verbinden deshalb die meisten Rumänen die Botschaften der heutigen Rechtspopulisten mit den sozioökonomischen Misserfolgen von damals.

Andererseits zählen die seit 2009 regierenden Sozialdemokraten zu den "belastbarsten und effektivsten politischen Gruppierungen der Region", wie "Open Democracy" schreibt. So kann sich die Partei auch auf dem Land wichtige Stimmen sichern. Zugleich können die Sozialdemokraten einige Erfolge vorweisen, sei es bei der medizinischen Versorgung, beim Bau von Straßen, im Bildungsbereich und im Aufbau der Wirtschaft.

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise kamen hunderttausende Flüchtlinge über die Balkan-Route und passierten dabei auch Slowenien. Doch anders als im Nachbarland Ungarn konnten Rechtspopulisten davon nicht profitieren.

Der Hauptgrund: Die Bevölkerung glaubt nicht, dass die Migranten bleiben werden. "Sie marschieren nur durch", erklärte Ana Petruseva, Journalistin von "Balkan Insight" dem britischen "Economist". Da auch die Wirtschaft beständig wächst und das ex-jugoslawische Land zu den wohlhabendsten in Südosteuropa zählt, bleiben kaum Ansatzpunkte für Rechtspopulisten.

Umgang mit der AfD in Deutschland



Für den Hamburger Politikwissenschaftler Lewandowsky ist die relevanteste Frage des derzeitigen Trends, inwiefern es die Rechtspopulisten schaffen, den öffentlichen und politischen Diskurs zu beeinflussen.

Er sagt: "Studien haben gezeigt, dass Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien dazu geführt haben, dass die konservativen Parteien in den jeweiligen Ländern nach rechts gerückt sind. In Dänemark oder Österreich haben sogar sozialdemokratische Parteien rechtspopulistische Positionen zum Teil übernommen."

Aus Sicht von Lochocki vom GMF gibt es nur eine Möglichkeit, Rechtspopulisten im Allgemeinen und der AfD im Besonderen Stimmen abzunehmen:

"In Deutschland haben die konservativen Parteien etwas versprochen, was wenig später nicht eingehalten wurde", erklärt er. Das sei so in der Griechenland- (Hilfszahlungen sollte es erst nicht geben und wurden anschließend doch bewilligt) und dann in der Flüchtlingspolitik (Grenze sollte geschlossen werden, blieb aber offen) gewesen.

Lochocki gibt deshalb zu bedenken: "Die Regierungsparteien sollten bei den Themen Migration, Europa und Außenpolitik - Bereiche wo es große öffentliche Debatten gibt - nur das ankündigen, was sie dann auch tatsächlich halten können."

Gibt es keine Lösung für ein Problem, würden die Menschen nur enttäuscht, erläutert Lochocki - "das hilft den Rechtspopulisten". Nicht nur in Deutschland, sondern europaweit.

2017-09-07-1504786616-8796518-CopyofHuffPost4.pngInside AfD - Die Community für Kritiker der Rechtspopulisten


(lp)

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