Um es mal mal freundlich zu formulieren: Es gibt derzeit beliebtere Menschen als den Italiener Mario Draghi. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) könnte am Donnerstag erneut den Euro-Leitzins senken, von derzeit 0,25 Prozent auf möglicherweise 0,15 Prozent.
Die Zinsen im Euroraum würden damit quasi abgeschafft. Auch eine Art Strafgebühr für Banken, die Geld bei der EZB parken anstatt es an in Form von Krediten an Unternehmen zu geben, ist im Gespräch.
Wenn es so kommt, ist es eine historische Entscheidung. Oder anders ausgedrückt: ein neuartiger Medikamenten-Cocktail, über dessen Risiken und Nebenwirkungen emotional gestritten wird.
Die Kritiker werden deutlich. Die Ersparnisse der Deutschen würden geplündert, warnt der Direktor vom Institut der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Vom "Gift für deutsche Sparer" und einer Idee, die "grundlegend fehlgeleitet" sei, spricht Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbandes deutschen Volks- und Raffeisenbanken.
Und Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, sagt gefährliche Fehlanreize voraus: „Weniger Sparanstrengungen bei gleichzeitig niedrigen Zinsen reißen massive Lücken in die Altersversorgung künftiger Rentner."
Die Huffington Post klärt die wichtigsten Fragen im Vorfeld der EZB-Ratssitzung:
EZB-Präsident Mario Draghi warnt seit Monaten vor den Gefahren der Mini-Inflation für die Konjunktur im Euroraum. Eine Deflation - also eine Spirale sinkender Preise durch alle Warengruppen - sieht er zwar nicht.
Bei einer Deflation kaufen Verbraucher in Erwartung weiter sinkender Preise nicht mehr ein, Unternehmen stellen Investitionen zurück. Das würgt die Konjunktur ab.
Doch Draghi betont: Die Gefahren nehmen zu, je länger die Inflation niedrig bleibt. Eine Zinssenkung könnte das Risiko verkleinern, denn tendenziell verbilligen niedrige Zinsen Kredite und Investitionen und kurbeln so die Wirtschaft an. Das wiederum stärkt den Preisauftrieb. Normalerweise.
Niedrige Zinsen werden in der Regel relativ schnell an Kunden weitergereicht. Da Sparer ohnehin schon lange unter den Mini-Zinsen auf dem Sparbuch oder dem Tagesgeldkonto leiden, mit denen sie nach Abzug der Inflation Kaufkraft einbüßen, gibt es aus Deutschland viel Kritik an noch billigerem Geld.
Schon jetzt ist beispielsweise der Abschluss einer neuen Lebensversicherung alles andere als attraktiv. Auch die 1,75 Prozent Garantiezins sind sehr wenig.
„Die anhaltende Niedrigzinspolitik beschädigt die dringend notwendige Altersvorsorge. Sie fördert Kapitalfehlleitungen, bepreist Risiken falsch und schafft gravierende Stabilitätsgefahren“, wettert Georg Fahrenschon, der oberste Sparkassen-Chef.
Gerade die Menschen in Deutschland legten ihr Geld traditionell sicher an und litten daher besonders unter den Niedrigzinsen. Die "Sparkultur" würde beschädigt und Vermögenswerte vernichtet, sagte er dem "Stern".
Manche Experten bezweifeln aber auch, dass die EZB-Gleichung "niedrige Zinsen = geringere Sparquote = mehr Konsum" aufgeht. "Deutschland wird nicht die Rolle ausfüllen, die sich Draghi wünscht", prognostiziert der Essener Volkswirt Ansgar Belke im Gespräch mit der Huffington Post.
Die Deutschen, die 1,88 Billionen Euro auf Sparbüchern, Tagesgeld- oder Girokonten gebunkert haben, würden nämlich jetzt noch mehr Geld für ihre Altersvorsorge zurücklegen, damit sich gar keine Versorgungslücken ergeben.
Die Folge: nicht mehr Konsum, sonder noch mehr Spardisziplin und damit verbunden eine eine Dämpfung der Binnennachfrage.
Wie Unternehmen auch profitieren sie von günstigen Kreditzinsen - wenn die Banken die Senkung auch weiterreichen. Derzeit seien die Zinsen "ein Paradies für Unternehmen, die sich refinanzieren", sagt Martin Hellmich, Professor an der Frankfurt School of Governance, der Huffington Post.
Prinzipiell ist billiges Geld gut für alle Schuldner - Verbraucher können eine Waschmaschine, ein Auto oder ein Haus genauso günstiger finanzieren wie Unternehmen ihre Investitionen oder Staaten ihre Schulden.
Das hilft indirekt auch Steuerzahlern. Und: Das billige Geld der Notenbanken hat die Börsen weltweit auf Rekordkurs geführt. Als Aktionäre haben auch Verbraucher daran verdient.
Bisher haben sich die Hoffnungen auf eine Rückkehr der Inflation in Richtung der EZB-Zielmarke von knapp unter zwei Prozent zerschlagen. Im Mai ging die Rate im Euroraum sogar auf 0,5 Prozent zurück. Selbst in Deutschland, wo der Konjunkturmotor brummt und Löhne steigen, sank die Teuerung im Mai auf 0,6 Prozent.
Eine Zinssenkung am Donnerstag ist daher nach Überzeugung von VP-Bank-Chefökonom Thomas Gitzel sicher: "Die spannende Frage ist, was die EZB sonst noch im Köcher hat." Aus Sicht der Commerzbank ist sogar die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass die EZB im Sommer breit angelegte Anleihenkäufe beschließt.
Das liegt unter anderem an weltweit sinkenden Energie- und Nahrungsmittelpreisen. Dieser Effekt wird durch den relativ starken Euro noch verstärkt. Zum Teil ist der geringe Preisauftrieb aber auch hausgemacht. Die Krisenländer im Euroraum müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken, indem sie Preise senken.
Normalerweise bekommen Banken, die Geld bei der Zentralbank parken, einen Zins gutgeschrieben. In der Krise senkten die Währungshüter diesen Einlagenzins auf null Prozent.
Drücken sie ihn nun unter Null, würde die EZB den Banken de facto eine Art Strafzins aufbrummen, wenn diese Geld bei ihr horten. Das Ziel ist eine Schwächung des Euro, um dadurch einen Anstieg der Inflationsrate zu erreichen.
Banken sollen überschüssige Liquidität nicht bei der EZB parken, sondern das Geld in Form von Krediten an Verbraucher und Unternehmen weiterreichen. Diese könnten investieren und so der Konjunktur auf die Sprünge helfen.
Die Wirkung ist jedoch umstritten. Manche Volkswirte meinen, Banken könnten einfach Bargeld horten - oder die Kosten auf ihre Kunden abwälzen.
In diesem Fall wäre die Maßnahme kontraproduktiv: Statt die Kreditvergabe anzukurbeln würden Kredite teurer. Auch höhere Kontoführungsgebühren sind denkbar, so dass auch Sparer getroffen würden. "Dann lege ich mein Geld doch lieber unter das Kopfkissen oder in den Tresor", könnte eine mögliche Trotz-Reaktion mancher Bankkunden sein.
Mit Material der dpa
Die Zinsen im Euroraum würden damit quasi abgeschafft. Auch eine Art Strafgebühr für Banken, die Geld bei der EZB parken anstatt es an in Form von Krediten an Unternehmen zu geben, ist im Gespräch.
Wenn es so kommt, ist es eine historische Entscheidung. Oder anders ausgedrückt: ein neuartiger Medikamenten-Cocktail, über dessen Risiken und Nebenwirkungen emotional gestritten wird.
Die Kritiker werden deutlich. Die Ersparnisse der Deutschen würden geplündert, warnt der Direktor vom Institut der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Vom "Gift für deutsche Sparer" und einer Idee, die "grundlegend fehlgeleitet" sei, spricht Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbandes deutschen Volks- und Raffeisenbanken.
Und Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, sagt gefährliche Fehlanreize voraus: „Weniger Sparanstrengungen bei gleichzeitig niedrigen Zinsen reißen massive Lücken in die Altersversorgung künftiger Rentner."
Die Huffington Post klärt die wichtigsten Fragen im Vorfeld der EZB-Ratssitzung:
Warum wird die EZB die Zinsen noch weiter senken?
EZB-Präsident Mario Draghi warnt seit Monaten vor den Gefahren der Mini-Inflation für die Konjunktur im Euroraum. Eine Deflation - also eine Spirale sinkender Preise durch alle Warengruppen - sieht er zwar nicht.
Bei einer Deflation kaufen Verbraucher in Erwartung weiter sinkender Preise nicht mehr ein, Unternehmen stellen Investitionen zurück. Das würgt die Konjunktur ab.
Doch Draghi betont: Die Gefahren nehmen zu, je länger die Inflation niedrig bleibt. Eine Zinssenkung könnte das Risiko verkleinern, denn tendenziell verbilligen niedrige Zinsen Kredite und Investitionen und kurbeln so die Wirtschaft an. Das wiederum stärkt den Preisauftrieb. Normalerweise.
Was würden die Zinssenkungen für Sparer bedeuten?
Niedrige Zinsen werden in der Regel relativ schnell an Kunden weitergereicht. Da Sparer ohnehin schon lange unter den Mini-Zinsen auf dem Sparbuch oder dem Tagesgeldkonto leiden, mit denen sie nach Abzug der Inflation Kaufkraft einbüßen, gibt es aus Deutschland viel Kritik an noch billigerem Geld.
Schon jetzt ist beispielsweise der Abschluss einer neuen Lebensversicherung alles andere als attraktiv. Auch die 1,75 Prozent Garantiezins sind sehr wenig.
„Die anhaltende Niedrigzinspolitik beschädigt die dringend notwendige Altersvorsorge. Sie fördert Kapitalfehlleitungen, bepreist Risiken falsch und schafft gravierende Stabilitätsgefahren“, wettert Georg Fahrenschon, der oberste Sparkassen-Chef.
Gerade die Menschen in Deutschland legten ihr Geld traditionell sicher an und litten daher besonders unter den Niedrigzinsen. Die "Sparkultur" würde beschädigt und Vermögenswerte vernichtet, sagte er dem "Stern".
Manche Experten bezweifeln aber auch, dass die EZB-Gleichung "niedrige Zinsen = geringere Sparquote = mehr Konsum" aufgeht. "Deutschland wird nicht die Rolle ausfüllen, die sich Draghi wünscht", prognostiziert der Essener Volkswirt Ansgar Belke im Gespräch mit der Huffington Post.
Die Deutschen, die 1,88 Billionen Euro auf Sparbüchern, Tagesgeld- oder Girokonten gebunkert haben, würden nämlich jetzt noch mehr Geld für ihre Altersvorsorge zurücklegen, damit sich gar keine Versorgungslücken ergeben.
Die Folge: nicht mehr Konsum, sonder noch mehr Spardisziplin und damit verbunden eine eine Dämpfung der Binnennachfrage.
Haben Verbraucher auch Vorteile?
Wie Unternehmen auch profitieren sie von günstigen Kreditzinsen - wenn die Banken die Senkung auch weiterreichen. Derzeit seien die Zinsen "ein Paradies für Unternehmen, die sich refinanzieren", sagt Martin Hellmich, Professor an der Frankfurt School of Governance, der Huffington Post.
Prinzipiell ist billiges Geld gut für alle Schuldner - Verbraucher können eine Waschmaschine, ein Auto oder ein Haus genauso günstiger finanzieren wie Unternehmen ihre Investitionen oder Staaten ihre Schulden.
Das hilft indirekt auch Steuerzahlern. Und: Das billige Geld der Notenbanken hat die Börsen weltweit auf Rekordkurs geführt. Als Aktionäre haben auch Verbraucher daran verdient.
Die Zinsen sind doch bereits extrem niedrig. Ist die Wirkung schon verpufft?
Bisher haben sich die Hoffnungen auf eine Rückkehr der Inflation in Richtung der EZB-Zielmarke von knapp unter zwei Prozent zerschlagen. Im Mai ging die Rate im Euroraum sogar auf 0,5 Prozent zurück. Selbst in Deutschland, wo der Konjunkturmotor brummt und Löhne steigen, sank die Teuerung im Mai auf 0,6 Prozent.
Eine Zinssenkung am Donnerstag ist daher nach Überzeugung von VP-Bank-Chefökonom Thomas Gitzel sicher: "Die spannende Frage ist, was die EZB sonst noch im Köcher hat." Aus Sicht der Commerzbank ist sogar die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass die EZB im Sommer breit angelegte Anleihenkäufe beschließt.
Warum ist die Inflation trotz der Mini-Zinsen so niedrig?
Das liegt unter anderem an weltweit sinkenden Energie- und Nahrungsmittelpreisen. Dieser Effekt wird durch den relativ starken Euro noch verstärkt. Zum Teil ist der geringe Preisauftrieb aber auch hausgemacht. Die Krisenländer im Euroraum müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken, indem sie Preise senken.
Was sollen die angedachten Strafzinsen für Banken bezwecken?
Normalerweise bekommen Banken, die Geld bei der Zentralbank parken, einen Zins gutgeschrieben. In der Krise senkten die Währungshüter diesen Einlagenzins auf null Prozent.
Drücken sie ihn nun unter Null, würde die EZB den Banken de facto eine Art Strafzins aufbrummen, wenn diese Geld bei ihr horten. Das Ziel ist eine Schwächung des Euro, um dadurch einen Anstieg der Inflationsrate zu erreichen.
Banken sollen überschüssige Liquidität nicht bei der EZB parken, sondern das Geld in Form von Krediten an Verbraucher und Unternehmen weiterreichen. Diese könnten investieren und so der Konjunktur auf die Sprünge helfen.
Die Wirkung ist jedoch umstritten. Manche Volkswirte meinen, Banken könnten einfach Bargeld horten - oder die Kosten auf ihre Kunden abwälzen.
In diesem Fall wäre die Maßnahme kontraproduktiv: Statt die Kreditvergabe anzukurbeln würden Kredite teurer. Auch höhere Kontoführungsgebühren sind denkbar, so dass auch Sparer getroffen würden. "Dann lege ich mein Geld doch lieber unter das Kopfkissen oder in den Tresor", könnte eine mögliche Trotz-Reaktion mancher Bankkunden sein.
Mit Material der dpa
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