Die Mosel hat einen merkwürdigen Ruf. Die einen denken an Bustouristen, Ausflugsdampfer und Bembelseeligkeit, die anderen an einige der spektakulärsten Weinberge der Welt, wilde Flussverrenkungen und Rieslinge, die den Weltruf deutschen Weins geprägt haben. Genauso wie der teuerste Weißwein der Welt - die Trockenbeerenauslese vom Scharzhof Egon Müllers - von der Mosel kommt, so kommt eben auch nichtssagende Billigweine von der Mosel.
Glanz und Elend gehören an der Mosel zusammen.
Dabei ist das Weinanbaugebiet Mosel sehr heterogen. Es beginnt an der Deutsch-Luxemburgischen Grenze mit der Obermosel und endet mehr als 100km später kurz vor Koblenz mit der Unter- oder Terrassenmosel. Dass die Mosel dabei fast 200km zurückgelegt hat, liegt an ihren vielen Windungen und sprichwörtlichen Schleifen, die für ihren Lauf an der Mittelmosel zwischen Trier und Cochem so typisch sind.
Prägend für die Mosel ist vor allem der dunkle Schiefer, der die Weinbergsböden ausmacht, als Baustoff für Häuser und Orte dient und in Form von Dachschindeln für diesen vor allem in der dunklen Jahreszeit trist-grauen Eindruck sorgt. Kein Wunder, dass man den Moselanern nachsagt, in sich gekehrt und etwas engstirnig zu sein.
Aber auch für den Schiefer gilt: Glanz und Elend gehören zusammen. Unterstützt er auf der einen Seite das Dunkle und Enge der Landschaft, so ist er auf der anderen Seite der Garant für die Einzigartigkeit der Weine. Denn es ist der gräuliche Schieferstein, der den Moselweinen ihren märchenhaften Zauber einhaucht.
Der Weinstock, vor allem der Riesling, bringt umso bessere Ergebnisse hervor, je karger und schwieriger seine Lebensbedingungen sind. Dort, auf dem blanken Schieferstein der Moselweinberge, wo nichts anderes mehr wachsen will, wo selbst der Weinstock unter Hitze, Trockenheit und Nährstoffmangel ächzt und stöhnt, dort entstehen einige der schönsten und elegantesten Weine der Welt. Oder wie es in einer Liedzeile Bob Dylans heißt: „behind every beautiful thing there's been some kind of pain"
Will man einen ersten Eindruck von der Weinregion Mosel bekommen, kann man durchaus an ihrem Ende anfangen, dort, wo die Mosel kurz davor ist in den Rhein zu münden, bei Koblenz. Hier liegt ein ca. 20km langer Abschnitt der Mosel, für den sich der Begriff Terrassenmosel eingebürgert hat. Es ist der einzige Teil der Mosel, an dem die Lagen seit den Zeiten der Römer terrassiert sind, es ist zudem das größte zusammenhängende Terrassenweinbaugebiet der Welt. Die Mosel hat sich hier in Jahrmillionen ein etwas breiteres und helleres Flussbett aus dem Schiefer gefräst als an der Mittelmosel, und die Orte wirken etwas heiterer. Die Menschen auch.
Der wohl bekannteste Winzer an der Terrassenmosel ist Reinhard Löwenstein. Er war einer der ersten, vor allem aber lautstärksten Winzer, die bereits in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts den Verzicht auf technischen Schnickschnack forderten und wieder die Hinwendung zu langsamen und natürlichen Weinen propagierten. Seine Zeitungsartikel und Bücher waren lange das Hintergrundrauschen für einen neuen Weinstil in Deutschland.
Die Weine Reinhard Löwensteins, allesamt Rieslinge, zeichnen sich durch eine volle und aromatische Reife und ein langes Hefelager aus. Das führt bei allen seinen Weinen zu einem eher opulenten Körper und milderer Säure. Restlos trocken sind die Rieslinge von Löwenstein nicht. Man könnte sie harmonisch trocken oder in sich stimmig nennen.
Der Einstiegswein von Reinhard Löwenstein ist sein „Riesling Schieferterrassen". Mit EUR 14.50 ruft er zwar einen hohen Kurs auf, aber unterhalb dieses Qualitätsanspruchs will es Löwenstein nicht machen. Da seine Weine lange brauchen, bevor sie abgefüllt werden, ist der aktuell verfügbare Jahrgang der 2012er. Und der Schieferterrassen aus 2012 hat alles, was ein Wein braucht: Spannung, Reife, tolle Säure, wunderbares Spiel und diese einzigartig aromatische Rieslingfrucht, wie sie nur im Verbund mit einem Schieferboden möglich ist. Die Wildheit der Landschaft, das speckig-Rauchige des Schiefersteins und der feine Charme des Rieslings bilden sich in dem Wein exemplarisch ab.
Das kürzlich neu gestaltete Weingut von Reinhard Löwenstein in Winningen liegt übrigens direkt an der A61 und ist verkehrsmäßig gut zu erreichen. Mein Tipp: fahren Sie in die Weinberge, klettern Sie in die Steillagen, stellen Sie sich auf den Schieferstein, atmen Sie die mehr als 2.000jährige Geschichte der Weinbergsterrassen ein. Vergessen Sie das Elend und tauchen Sie ein in den Glanz der Mosel. Wetten, Sie wollen nie wieder etwas anderes trinken als Wein mit derart definiertem Herkunftscharakter!
Riesling Schieferterrassen 2012 vom Weingut Heymann-Löwenstein, EUR 14.50 direkt ab Hof, www.heymann-loewenstein.com
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