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Erdogan spielt Bergwerksunglück herunter: "Solche Unfälle passieren ständig"

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Mindestens 238 Menschen sind in der Türkei beim weltweit schwersten Grubenunglück seit mehr als zwei Jahrzehnten ums Leben gekommen. Noch rund 120 Kumpel seien unter Tage eingeschlossen, sagte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Mittwochnachmittag laut der Nachrichtenagentur Anadolu.

Wie Erdogan am Ort der Katastrophe erläuterte, wurden mindestens 80 Menschen bei dem Brand in dem Kohlebergwerk verletzt. Gewerkschaften sprachen von "Massenmord" in der Zeche Soma. Sie kritisierten die Arbeitsbedingungen.

Energieminister Taner Yildiz sagte in Soma, die Hoffnung schwinde, noch Überlebende zu retten. "Es ist schlimmer, als zunächst erwartet." Zum Zeitpunkt des Unglücks am Dienstagnachmittag seien 787 Arbeiter in der Zeche gewesen. Möglicherweise werde die Katastrophe zum schlimmsten Grubenunglück in der Geschichte der türkischen Republik.

Erdogan spielt Grubenunglück herunter

Unterdessen spielt der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan das Unglück herunter. Er verglich die schlechte Sicherheitsbilanz der Kohlebergwerke in seinem Land mit Vorfällen aus dem 19. Jahrhundert.

"Solche Unfälle passieren ständig", sagte Erdogan am Mittwoch nach einem Besuch an der Zeche Soma. "Ich schaue zurück in die englische Vergangenheit, wo 1862 in einem Bergwerk 204 Menschen starben."

Der Regierungschef zählte weitere Grubenunglücke in England, den USA und in anderen Ländern aus längst vergangenen Jahren auf. "Liebe Freunde, in China sind 1960 bei einer Methangasexplosion 684 Menschen gestorben."

Explosion durch Defekt in der Elektrik

Medienberichten zufolge hatte ein Defekt in der Elektrik zunächst eine Explosion und dann den Brand verursacht, der nach Angaben von Yildiz in 150 Metern Tiefe ausbrach. Wegen des Unglücks rief die Regierung eine dreitägige Staatstrauer aus. Im ganzen Land und an den Vertretungen im Ausland wurden die Flaggen auf halbmast gesetzt.

In mehreren türkischen Städten kam es zu Protesten. In der Hauptstadt Ankara ging die Polizei Medienberichten zufolge mit Tränengas und Wasserwerfern gegen mehrere Hundert Demonstranten vor, die zum Energieministerium marschieren wollten.

Die Sicherheitskräfte hätten über Megafon auf die von der Regierung verfügte Staatstrauer für die Opfer der Katastrophe hingewiesen. Aus den Reihen der Demonstranten seien Molotow-Cocktails und Steine geworfen worden.

Mehrere Gewerkschaften haben für die kommenden Tage zu Protesten aufgerufen. Der größte türkische Gewerkschaftsbund Türk-Is rief seine Mitglieder zur Arbeitsniederlegung an diesem Donnerstag auf. Gewerkschafter sollten der toten Bergleute gedenken, teilte Türk-Is mit.

"Auch wenn die Männer Masken haben sollten, wird eine Rettung schwierig."

Der Bergmann Sami Kilic, der neun Jahre in der Zeche arbeitete und bei den Rettungsarbeiten half, sagte dem Sender CNN-Türk, bei einer Explosion unter Tage funktioniere die Stromversorgung nicht mehr. Ventilatoren könnten nicht mehr arbeiten, der Luftstrom werde unterbrochen.

"Auch wenn die Männer Masken haben sollten, wird eine Rettung schwierig." Die Masken reichten für 45 Minuten Frischluft. "Aber innerhalb von 45 Minuten kann man nicht die eineinhalb Kilometer nach oben kommen."

Kilic sagte, er rechne mit bis zu 400 Toten. Mehr als 18 Stunden nach dem Grubenunglück waren am Mittwochmorgen Medienberichten zufolge noch sechs Überlebende geborgen worden.

Ministerpräsident Erdogan und Staatspräsident Abdullah Gül sagten wegen des Unglücks Auslandsreisen ab. Erdogan traf am Mittwoch am Unglücksort ein. Türkische Medien berichteten, die Regierungspartei AKP habe im vergangenen Monat Forderungen der Opposition zurückgewiesen, die Sicherheitsvorkehrungen an der Zeche Soma zu überprüfen. Die Bergwerksgesellschaft teilte mit, die letzten Sicherheitsüberprüfungen habe es vor zwei Monaten gegeben.

Immer wieder Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen

Das linke Gewerkschaftsbündnis DISK warf der Regierung vor, die Zahl der Opfer in den ersten Stunden nach der Katastrophe kleingeredet zu haben. DISK-Chef Kani Beko kritisierte, in der Zeche seien zahlreiche Arbeiter von Subunternehmern eingesetzt gewesen. Beko sprach von einem "Massenmord" in dem Bergwerk.

In Deutschland kritisierte die Bergbaugewerkschaft IG BCE Sicherheitsmängel in der Türkei. "Die Katastrophe in Soma ist das jüngste Glied in einer langen Kette schrecklicher Grubenunglücke in der Türkei", sagte der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis laut einer Mitteilung. Es habe immer wieder Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen gegeben. Mindestvorschriften im Arbeits- und Gesundheitsschutz würden nicht eingehalten.

Das Grubenunglück in der Türkei löste weltweit Trauer aus. Mehrere Länder boten der Türkei Hilfe an. Darunter waren auch Israel und Griechenland, deren Verhältnis zur Türkei angespannt ist. Bundespräsident Joachim Gauck sprach dem türkischen Staatschef Gül seine Anteilnahme aus. Kanzlerin Merkel schrieb Erdogan: "Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen der Opfer."

In der Türkei kommt es immer wieder zu tödlichen Grubenunfällen. Mehrfach gab es in den vergangenen Jahren Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen oder es wurden veraltete Arbeitsgeräte eingesetzt. Das schwerste Unglück der vergangenen Jahrzehnte ereignete sich 1992 in einem Bergwerk in der Provinz Zonguldak. Dort starben bei einer Gasexplosion 263 Menschen.

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