Leben heisst Wandern
"I love Italy and Italy Loves Me"
im bat-Studiotheater Berlin
Endlich mal ein Theaterstück, das nichts anderes sein will, als es tatsächlich darstellt. Und das dennoch die Gedanken weiter befördert, als sie von allein gegangen wären.
Am Anfang stand Filmmaterial, das Magali Tosato, Regiestudentin im vierten Studienjahr an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch", seit Juni 2013 mit Szenen und Interviews aus dem Alltag ihrer mittlerweile 80-jährigen Großeltern gedreht hatte. Deren Leben als Berufstätige und als Rentner hatte sich zwischen der Schweiz und Italien abgespielt.
Wie die beiden Italiener als "Gastarbeiter" in den fünfziger Jahren in die Schweiz kamen, sich kennenlernten und dann dort jahrzehntelang berufstätig waren, bis sie zum Rentenbeginn nach Italien zurückkehrten, wird in kurzen Szenen durch junge Schauspieler geschildert.
Dabei fällt ein Schlaglicht auf die Animositäten zwischen Schweizern und "Ausländern", auf Hemmnisse für die Integration von Migranten und Divergenzen in der gesellschaftspolitischen Dynamik zwischen Herkunfts- und Gastland - lauter Themen, mit denen wir in Deutschland inzwischen tagtäglich konfrontiert sind. Hier werden sie mit leichter Hand angefasst, beiläufig und ohne aufgesetzte Dramatik. Dass in der zweiten Vorstellung gar die beiden Großeltern in persona anwesend sein konnten und sich gemeinsam mit den Schauspielern den Jubel des Publikums teilten, gab der Aufführung Charme und Authentizität.
Dabei wird beileibe nicht einfach nur abgebildet. In den neunzig Minuten der Aufführung geschieht Dokumentarisches neben szenisch Idyllischem, durch Artifizielles pointiert und überhöht. Das Bühnenbild von Franziska Keune ist ebenso simpel wie auf raffinierte Weise effizient: das Abbild einer Doppelhausfront mit Eternit-Fassadenverkleidung, stabil und über die volle Bühnenbreite ausladend, an der Bühnendecke drehbar eingeklinkt, am Boden auf Rollen aufgesetzt, wodurch sich das Ganze mühelos anschieben und in eine kreisende Drehbewegung versetzen lässt.
Diese Kulisse dient gleichzeitig als Projektionswand für Ausschnitte aus dem Tosato-Filmmaterial. Dazu ein paar pinkfarbene Hüpfbälle, die sowohl als Sitzgelegenheiten wie fürs unentbehrliche Boccia-Spiel zu verwenden sind. Vorn links schließlich drei ausgesuchte Musiker, Felicitas Conrad mit Cello, Camille Phelep am Klavier und Arian Stechert am Schlagzeug, die sich songbegleitend einbringen und einmal sämtliche Mitspieler in eine mitreißende Percussion-Session einbinden.
Die porträtierten Großeltern werden zu Imperia (Alexandra Martini) und Gianni (Jakob Roth), die als schweizerische Import-Italiener zueinander finden. Giannis Kollege Lucio (Pirmin Sedlmeir) opponiert lebhaft gegen die im Endeffekt machtlose Gewerkschaft, als deren Sekretär sich Gigi (Jan Gerrit Brüggemann) profiliert. Imperias Schwester ist Noventa (Friedrike Nölting), zu der Gianni erste Kontakte knüpft und damit das Geschehen im Schweizer Exil auf Zeit ins Rollen bringt.
Was aber am stärksten in Erinnerung bleibt, sind nicht darstellerische Kabinettstückchen, sondern ist die zumeist ganz leise angesetzte Ensembleleistung, wie eine sehr ruhig angelegte Gartenszene nach der Rückkehr ins Heimatland Italien. Alle fünf Akteure schälen gemächlich einen Apfel, als bereiteten sie eine umfangreiche gemeinsame Mahlzeit, und jeder imitiert akustisch verschiedene Vogelrufe oder das Summen von Bienen, so dass die idyllische Stimmung buchstäblich mit Händen zu greifen ist.
Eine wunderbar austarierte Gruppenszene schließt das Stück ab: der 1986 von Gianna Nanini kreierte Song "Bello, bello impossibile" im chorischen Ensemble, als Impression wie als versöhnlicher Ausklang auch musikalisch sehr gelungen.
Viel Beifall für das Ensemble und, wie gesagt, auch für die als Zuschauer anwesenden Großeltern der Autorin. Beinahe ein Familienfest.
"I love Italy and Italy Loves Me"
im bat-Studiotheater Berlin
Endlich mal ein Theaterstück, das nichts anderes sein will, als es tatsächlich darstellt. Und das dennoch die Gedanken weiter befördert, als sie von allein gegangen wären.
Am Anfang stand Filmmaterial, das Magali Tosato, Regiestudentin im vierten Studienjahr an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch", seit Juni 2013 mit Szenen und Interviews aus dem Alltag ihrer mittlerweile 80-jährigen Großeltern gedreht hatte. Deren Leben als Berufstätige und als Rentner hatte sich zwischen der Schweiz und Italien abgespielt.
Wie die beiden Italiener als "Gastarbeiter" in den fünfziger Jahren in die Schweiz kamen, sich kennenlernten und dann dort jahrzehntelang berufstätig waren, bis sie zum Rentenbeginn nach Italien zurückkehrten, wird in kurzen Szenen durch junge Schauspieler geschildert.
Dabei fällt ein Schlaglicht auf die Animositäten zwischen Schweizern und "Ausländern", auf Hemmnisse für die Integration von Migranten und Divergenzen in der gesellschaftspolitischen Dynamik zwischen Herkunfts- und Gastland - lauter Themen, mit denen wir in Deutschland inzwischen tagtäglich konfrontiert sind. Hier werden sie mit leichter Hand angefasst, beiläufig und ohne aufgesetzte Dramatik. Dass in der zweiten Vorstellung gar die beiden Großeltern in persona anwesend sein konnten und sich gemeinsam mit den Schauspielern den Jubel des Publikums teilten, gab der Aufführung Charme und Authentizität.
Dabei wird beileibe nicht einfach nur abgebildet. In den neunzig Minuten der Aufführung geschieht Dokumentarisches neben szenisch Idyllischem, durch Artifizielles pointiert und überhöht. Das Bühnenbild von Franziska Keune ist ebenso simpel wie auf raffinierte Weise effizient: das Abbild einer Doppelhausfront mit Eternit-Fassadenverkleidung, stabil und über die volle Bühnenbreite ausladend, an der Bühnendecke drehbar eingeklinkt, am Boden auf Rollen aufgesetzt, wodurch sich das Ganze mühelos anschieben und in eine kreisende Drehbewegung versetzen lässt.
Diese Kulisse dient gleichzeitig als Projektionswand für Ausschnitte aus dem Tosato-Filmmaterial. Dazu ein paar pinkfarbene Hüpfbälle, die sowohl als Sitzgelegenheiten wie fürs unentbehrliche Boccia-Spiel zu verwenden sind. Vorn links schließlich drei ausgesuchte Musiker, Felicitas Conrad mit Cello, Camille Phelep am Klavier und Arian Stechert am Schlagzeug, die sich songbegleitend einbringen und einmal sämtliche Mitspieler in eine mitreißende Percussion-Session einbinden.
Die porträtierten Großeltern werden zu Imperia (Alexandra Martini) und Gianni (Jakob Roth), die als schweizerische Import-Italiener zueinander finden. Giannis Kollege Lucio (Pirmin Sedlmeir) opponiert lebhaft gegen die im Endeffekt machtlose Gewerkschaft, als deren Sekretär sich Gigi (Jan Gerrit Brüggemann) profiliert. Imperias Schwester ist Noventa (Friedrike Nölting), zu der Gianni erste Kontakte knüpft und damit das Geschehen im Schweizer Exil auf Zeit ins Rollen bringt.
Was aber am stärksten in Erinnerung bleibt, sind nicht darstellerische Kabinettstückchen, sondern ist die zumeist ganz leise angesetzte Ensembleleistung, wie eine sehr ruhig angelegte Gartenszene nach der Rückkehr ins Heimatland Italien. Alle fünf Akteure schälen gemächlich einen Apfel, als bereiteten sie eine umfangreiche gemeinsame Mahlzeit, und jeder imitiert akustisch verschiedene Vogelrufe oder das Summen von Bienen, so dass die idyllische Stimmung buchstäblich mit Händen zu greifen ist.
Eine wunderbar austarierte Gruppenszene schließt das Stück ab: der 1986 von Gianna Nanini kreierte Song "Bello, bello impossibile" im chorischen Ensemble, als Impression wie als versöhnlicher Ausklang auch musikalisch sehr gelungen.
Viel Beifall für das Ensemble und, wie gesagt, auch für die als Zuschauer anwesenden Großeltern der Autorin. Beinahe ein Familienfest.
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