Queerphobie war das Thema unserer letzten acht Beiträge. Ob Uganda, Russland oder Deutschland - Vorbehalte gegenüber Lesben, Schwulen, Transgender und intersexuellen Menschen sowie diversen Lebensweisen jenseits der Heteronormativität belasten den Alltag von Queers überall. Die Ausgangstexte und weiteren Kommentare finden Sie auf dem queerelations-Themenblog. Am Ende dieses Beitrags geben wir einen Überblick zu allen Thesen und Ideen sowie ein Fazit. Zuvor drei weitere Ideen, wie wir mit Queerphobie umgehen können.
Idee 7: Den Promifaktor von Queers und Alliierten nutzen
Die „Very Important Persons" aus Sport, Medien, Kunst, Musik, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik haben als Identifikationsfiguren ihrer Fans großen Einfluss auf gesellschaftsrelevante Diskussionen und Einstellungsänderungen. Mit ihrer Hilfe kann in kurzer Zeit Aufmerksamkeit für Themen und Haltungen geschaffen werden.
VIP Thomas Hitzlsperger machte durch sein Coming Out das Thema „Homosexualität im Fußball" europaweit salonfähig. Insbesondere die deutschsprachige Bevölkerung wurde aufmerksam durch zahlreiche Kommentare und mehrere Talkshows. Die Medien berichteten überwiegend positiv zum Outing. Wer genau hinschaut, erkennt, wie sorgfältig dieser Schritt medial vorbereitet, unterstützt und beraten wurde (siehe thomas-hitzlsperger.de). Zahlreiche Aktionen gegen Homophobie und gegen Diskriminierung im Fußball wurden durch sein Outing bestärkt oder ausgelöst.
Selbst Negativ- und Hasskommentare haben dabei eine gute Seite: Sie führen uns allen, egal ob queer oder hetero, vor Augen, dass wir nicht wirklich gelernt haben, mit dem Queer-Sein entspannt umzugehen. Die Tiefe und die weitreichenden Folgen von Queerphobie werden erst deutlich, wenn sie ans Tageslicht der öffentlichen Diskussion gezerrt werden. Dass in Russland und Uganda plötzlich Gesetze gegen Homosexualität verschärft werden, nachdem sie jahrzehntelang juristisch und öffentlich unter den Teppich gekehrt wurde, zeigt, dass Stillschweigen nicht gleich Toleranz oder gar Wertschätzung bedeutet.
Prominente Outings und flankierende heterosexuelle Unterstützende, die sich eindeutig gegenüber Queerphobie positionieren, helfen immens: „I hate the word homophobia. It's not a phobia. You are not scared. You are an asshole!" meint Morgan Freeman, ein weltweit bekannter Schauspieler. Unmissverständlich macht er damit klar, wer hier beängstigend ignorant und intolerant ist, und er entlastet gleichzeitig all jene, die selbst viel zu lange als ‚das Letzte' der Gesellschaft diskriminiert wurden, die Queers.
Idee 8: Queerphobie so früh wie möglich begegnen
„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr", gilt auch für die Kunst, zu sich selbst und zu anderen zu stehen. So wie Kinder lernen, „Nein" zu Missbrauch und sexueller Belästigung zu sagen, müssen sie lernen, „Ja" zu sagen zu ihrer eigenen und anderen Identitäten und Beziehungen jenseits der Heteronorm. Lernt ein Kind seine Liebesbedürfnisse zu verleugnen, beginnt eine Spirale der gegenseitigen Unterdrückung und Abwertung.
Eltern, Kitas und Schulen sind gefordert, herrschende Vorurteile zu reflektieren. Im zweiten Schritt können sie gemeinsam Wege finden, diese Toleranz zu vermitteln. Sexualunterricht und Aufklärungsprojekte helfen dabei, für 90 Minuten ohne Scheu queeren Ansprechpartnern_innen Fragen zu stellen und sie offen beantwortet zu bekommen.
Mit der Pubertät informieren sich Jugendliche zunehmend selbst. Das Elternhaus wird oft nicht gefragt und hat es manchmal schwer, die passenden Antworten zu liefern. Die meisten Queers berichten, dass ihnen gute Freunde, Magazine, Fernsehsendungen und das Internet geholfen haben, sich als junger Mensch der eigenen sexuellen Orientierung positiv bewusst zu werden und sich zu ihr zu bekennen. Der Facebook-Auftritt von queerelations findet überdurchschnittlich junge Fans von 13 bis 17 Jahren.
Wir verändern uns jeden Tag. Es ist nie zu spät, etwas zu verändern, aber es braucht extrem viel Kraft, sich aus einer gewohnten Lebenslüge zu befreien. Ein schwuler Mann, der sich aus gesellschaftlichen Konventionen auf Frau und Kinder eingelassen hat, wird Sexualität und Lebensglück schwer auf einen Nenner bekommen. Schlimmer: Er kann damit Quelle von Leid für seine engste Umgebung werden. Die Zerreißprobe zwischen queerphobem Versteckspiel und ehrlichen Beziehungen ist niemandem zu wünschen. Frühe Aufklärung und eine akzeptierende Haltung des sozialen Umfelds sind Lösungswege.
Idee 9: Kulturübergreifend dazulernen und nicht von sich auf andere schließen
Wie wir in These 4 gesehen haben (Queerphobie besteht trotz kulturell akzeptierter Ausnahmen), ist „gay" nicht gleich „schwul". In anderen Kulturen kann das gleiche oder übersetzte Wort andere Assoziationen auslösen, die gerade bei kulturübergreifenden Aktionen berücksichtigt werden müssen. Einen interkulturellen Vergleich queerer Identitätskonzepte erarbeitete Sven Weidner (google-Book 2005). Lesenswert, wie hier medizinische, psychologische, juristische und soziologische Grundlagenforschung zusammenwirken. Darüber hinaus wäre interessant, welche Beziehungsmodelle, Vorbehalte und Diskriminierungsformen, von Ignorieren bis Bekämpfen, andere Kulturen kennen? Wie entsteht anderswo Toleranz? Lassen sich daraus Verallgemeinerungen und Strategien ableiten? Forschung kann so lebensnah und hilfreich sein!
Kulturelle Bedingungen unterscheiden sich auch kleinräumig, zum Beispiel von einer zur anderen sozialen Bildungsschicht, vom Stadt- zum Landleben, von der Migranten-Familie 1 zur Migranten-Community 2. Letztlich sind persönliche Bedingungen und Netzwerke ausschlaggebend für eigenen Reaktionen. Wir passen uns den Gegebenheiten an, in denen wir akzeptiert werden und etwas bewirken wollen. Das ist nicht nur nachvollziehbar, sondern auch sinnvoll.
Wo sind Grenzen? Welche Ungerechtigkeiten muss ich mitmachen, ab wann muss ich einschreiten? Fragen, die uns täglich begegnen, bei Gesprächen mit Freunden, in Mobbing-Situationen, bei Kaufentscheidungen oder beim Wählen, und nicht zuletzt bei Medienberichten. Gut, wer sich mit Fragen der Queerphobie rechtzeitig beschäftigt hat.
Weitere Thesen und Ideen auf queerelations.net
Der Themenblog auf queerelations.net geht nun mit weiteren Beiträgen auf diese Thesen und Ideen ein. Ende März waren es bereits 80 weiterführende Einzelkommentare.
Mit dabei sind Hinweise auf spannende Dokumentationen und Artikel, die unser Thema aufgreifen, wie die englischsprachige BBC-Doku: „Out There" (Teil 1 und Teil 2) von und mit Stephen Fry, der über Ausschreitungen, Gegenreaktionen, Erklärungsmodelle und Erfolgsstories von Queers in England, Iran, USA, Russland, Brasilien und Indien berichtet. Im Themenblog werden auch relevante Ergebnisse des Europarat-Berichts zur Diskriminierung von Minderheiten in Deutschland zusammengefasst, um beispielsweise die Relevanz von Aufklärung im Schulunterricht zu bestätigen.
Hinzu kommen Innenansichten von Queers mit Hilfe von Tagebüchern und Facebook-Einträgen wie von einem Deutschen, der in Brasilien lebt und dort im Angesicht seines umgebrachten Freundes über die Liebe philosophiert (Wie kann man nur hassen, dass Menschen sich lieben?). Auch Beispiele für konkrete Aktionen gegen Queerphobie wie bei einer Transaktivistin im Stadtrat von Shreveport, Lousiana werden berichtet.
Satire in Bild, Ton und Fernsehbeiträgen wie in der heute-show vom 31.01.2014 wird verlinkt und in die Beiträge integriert. Initiativen wie der „Waldschlösschen-Appell" zur angemessenen journalistischen Darstellung queerer Themen oder der Appell zu 15 Unterstützungsaktionen der ugandischen LGBT-Bewegung werden vorgestellt. Dazu kommen Bilder und Grafiken, die das Thema Queerphobie aufgreifen, wie ein Chart über das „Muslim Wheel of Domestic Violence" bei peacefulfamilies.org.
Fazit und Überblick zu Thesen und Ideen
Wer von Kindesbeinen an in einer Welt aufwächst, die heteronormativ geprägt ist, hat verständlicher Weise Vorbehalte gegenüber Queers. Das trifft auf fast alle zu, auch auf jene, die es selbst sind. Les-bi-schwul, transgender, inter- oder asexuell zu sein und etwas anderes als die klassischen Identitäten und Familienbeziehung zu leben, ist nach wie vor eine Herausforderung. Es ist wie die Erforschung unbekannter, weißer Flächen, welche Geografen sich mühsam erarbeiten mussten, bevor sie auf unseren Landkarten sichtbar und als GPS-Signal selbstverständlich wurden. Ähnlich pionierhaft muss man_frau mit anderen sich die Beziehungsansätze erarbeiten, die noch unbekannt sind oder gar Ritualen und Gewohnheiten unserer Gesellschaft zuwider laufen.
Dabei müssen wir das Rad nicht neu erfinden. Schauen wir über den Tellerrand in andere Zeiten, Kulturen und Lebensumstände. Lernen wir aus Höhepunkten und aus Tiefschlägen. Manche Erfahrungen kommen erst wieder durch Filme, Hörspiele, Bücher und Erzählungen in unser Bewusstsein. Die experimentierfreudige Zeit der 68-er Bewegung gehört ebenso dazu, wie die eigene Jugendzeit, in der Ideale und eigen-sinnige Lebensweisen noch beherzter umgesetzt wurden als im postmodernen Zeitalter oder erwachsenen Lebensabschnitt.
Der Umgang mit Queerphobie beginnt bei uns selbst, bei den eigenen Kindern, der eigenen Umgebung. Wir wünschen uns eine umfassende Queerakzeptanz, die große Wellen schlägt, über nationale und kulturelle Grenzen hinaus. Diese Serie besteht nur aus Worten. Lassen wir und Sie gemeinsam diesen Worten konkrete Taten folgen!
Zum Abschluss noch die Links zu allen Thesen und Ideen der letzten 9 Teile:
Definition:
Queerphobie = die "Angst" der Heteronormativen vor Abweichungen
Thesen:
1. Queerphobie ist gesellschaftlich bedingt
2. Queerphobie entsteht aus unreflektierter Wiederholung von Traditionen
3. Queerphobie hilft dabei, bestehende Privilegien zu verteidigen
4. Queerphobie besteht trotz kulturell akzeptierter Ausnahmen
5. Queerphobie braucht positive lebendige Beispiele
6. Queerphobie haben vor allem jene, die selbst versteckt queer sind
7. Queerphobie ist Energievergeudung
8. Queerphobie hat mit der Angst vor Rollenwechseln zu tun
Ideen:
Idee 1: Die eigenen Vorbehalte als Wegweiser zur persönlichen Entwicklung nehmen
Idee 2: Um Verständnis werben und Gesetzesgrundlagen einfordern
Idee 3: Gutes Timing von Aufstand gegen und Kooperation mit der Mehrheitsgesellschaft
Idee 4: Queerphobie kann nur rational UND emotional begegnet werden
Idee 5: Positive Beispiele jenseits der Heteronorm veröffentlichen
Idee 6: Community-übergreifend berichten
Idee 7: Den Promifaktor von Queers und Alliierten nutzen (s.o.)
Idee 8: Queerphobie so früh wie möglich begegnen (s.o.)
Idee 9: Kulturübergreifend dazulernen und nicht von sich auf andere schließen (s.o.)
Dank an das Autoren_innenteam
Auch zum Abschluss nochmal herzlichen Dank für die zahlreichen Hinweise und Verbesserungsvorschläge aus dem queerelations-Redaktionsteam an Dr. Hilmar Sturm, Christian Merten, Elisabeth Raschke, Drew Mazyck, Nicholas Catasso und Dr. Julian Klotz. Darüber hinaus die herzliche Einladung an Sie als Leser_in, weitere Thesen und Ideen, Ergänzungen und Gegenargumente hier oder auf unserem queerelations-Themenblog einzubringen.
Idee 7: Den Promifaktor von Queers und Alliierten nutzen
Die „Very Important Persons" aus Sport, Medien, Kunst, Musik, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik haben als Identifikationsfiguren ihrer Fans großen Einfluss auf gesellschaftsrelevante Diskussionen und Einstellungsänderungen. Mit ihrer Hilfe kann in kurzer Zeit Aufmerksamkeit für Themen und Haltungen geschaffen werden.
VIP Thomas Hitzlsperger machte durch sein Coming Out das Thema „Homosexualität im Fußball" europaweit salonfähig. Insbesondere die deutschsprachige Bevölkerung wurde aufmerksam durch zahlreiche Kommentare und mehrere Talkshows. Die Medien berichteten überwiegend positiv zum Outing. Wer genau hinschaut, erkennt, wie sorgfältig dieser Schritt medial vorbereitet, unterstützt und beraten wurde (siehe thomas-hitzlsperger.de). Zahlreiche Aktionen gegen Homophobie und gegen Diskriminierung im Fußball wurden durch sein Outing bestärkt oder ausgelöst.
Selbst Negativ- und Hasskommentare haben dabei eine gute Seite: Sie führen uns allen, egal ob queer oder hetero, vor Augen, dass wir nicht wirklich gelernt haben, mit dem Queer-Sein entspannt umzugehen. Die Tiefe und die weitreichenden Folgen von Queerphobie werden erst deutlich, wenn sie ans Tageslicht der öffentlichen Diskussion gezerrt werden. Dass in Russland und Uganda plötzlich Gesetze gegen Homosexualität verschärft werden, nachdem sie jahrzehntelang juristisch und öffentlich unter den Teppich gekehrt wurde, zeigt, dass Stillschweigen nicht gleich Toleranz oder gar Wertschätzung bedeutet.
Prominente Outings und flankierende heterosexuelle Unterstützende, die sich eindeutig gegenüber Queerphobie positionieren, helfen immens: „I hate the word homophobia. It's not a phobia. You are not scared. You are an asshole!" meint Morgan Freeman, ein weltweit bekannter Schauspieler. Unmissverständlich macht er damit klar, wer hier beängstigend ignorant und intolerant ist, und er entlastet gleichzeitig all jene, die selbst viel zu lange als ‚das Letzte' der Gesellschaft diskriminiert wurden, die Queers.
Idee 8: Queerphobie so früh wie möglich begegnen
„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr", gilt auch für die Kunst, zu sich selbst und zu anderen zu stehen. So wie Kinder lernen, „Nein" zu Missbrauch und sexueller Belästigung zu sagen, müssen sie lernen, „Ja" zu sagen zu ihrer eigenen und anderen Identitäten und Beziehungen jenseits der Heteronorm. Lernt ein Kind seine Liebesbedürfnisse zu verleugnen, beginnt eine Spirale der gegenseitigen Unterdrückung und Abwertung.
Eltern, Kitas und Schulen sind gefordert, herrschende Vorurteile zu reflektieren. Im zweiten Schritt können sie gemeinsam Wege finden, diese Toleranz zu vermitteln. Sexualunterricht und Aufklärungsprojekte helfen dabei, für 90 Minuten ohne Scheu queeren Ansprechpartnern_innen Fragen zu stellen und sie offen beantwortet zu bekommen.
Mit der Pubertät informieren sich Jugendliche zunehmend selbst. Das Elternhaus wird oft nicht gefragt und hat es manchmal schwer, die passenden Antworten zu liefern. Die meisten Queers berichten, dass ihnen gute Freunde, Magazine, Fernsehsendungen und das Internet geholfen haben, sich als junger Mensch der eigenen sexuellen Orientierung positiv bewusst zu werden und sich zu ihr zu bekennen. Der Facebook-Auftritt von queerelations findet überdurchschnittlich junge Fans von 13 bis 17 Jahren.
Wir verändern uns jeden Tag. Es ist nie zu spät, etwas zu verändern, aber es braucht extrem viel Kraft, sich aus einer gewohnten Lebenslüge zu befreien. Ein schwuler Mann, der sich aus gesellschaftlichen Konventionen auf Frau und Kinder eingelassen hat, wird Sexualität und Lebensglück schwer auf einen Nenner bekommen. Schlimmer: Er kann damit Quelle von Leid für seine engste Umgebung werden. Die Zerreißprobe zwischen queerphobem Versteckspiel und ehrlichen Beziehungen ist niemandem zu wünschen. Frühe Aufklärung und eine akzeptierende Haltung des sozialen Umfelds sind Lösungswege.
Idee 9: Kulturübergreifend dazulernen und nicht von sich auf andere schließen
Wie wir in These 4 gesehen haben (Queerphobie besteht trotz kulturell akzeptierter Ausnahmen), ist „gay" nicht gleich „schwul". In anderen Kulturen kann das gleiche oder übersetzte Wort andere Assoziationen auslösen, die gerade bei kulturübergreifenden Aktionen berücksichtigt werden müssen. Einen interkulturellen Vergleich queerer Identitätskonzepte erarbeitete Sven Weidner (google-Book 2005). Lesenswert, wie hier medizinische, psychologische, juristische und soziologische Grundlagenforschung zusammenwirken. Darüber hinaus wäre interessant, welche Beziehungsmodelle, Vorbehalte und Diskriminierungsformen, von Ignorieren bis Bekämpfen, andere Kulturen kennen? Wie entsteht anderswo Toleranz? Lassen sich daraus Verallgemeinerungen und Strategien ableiten? Forschung kann so lebensnah und hilfreich sein!
Kulturelle Bedingungen unterscheiden sich auch kleinräumig, zum Beispiel von einer zur anderen sozialen Bildungsschicht, vom Stadt- zum Landleben, von der Migranten-Familie 1 zur Migranten-Community 2. Letztlich sind persönliche Bedingungen und Netzwerke ausschlaggebend für eigenen Reaktionen. Wir passen uns den Gegebenheiten an, in denen wir akzeptiert werden und etwas bewirken wollen. Das ist nicht nur nachvollziehbar, sondern auch sinnvoll.
Wo sind Grenzen? Welche Ungerechtigkeiten muss ich mitmachen, ab wann muss ich einschreiten? Fragen, die uns täglich begegnen, bei Gesprächen mit Freunden, in Mobbing-Situationen, bei Kaufentscheidungen oder beim Wählen, und nicht zuletzt bei Medienberichten. Gut, wer sich mit Fragen der Queerphobie rechtzeitig beschäftigt hat.
Weitere Thesen und Ideen auf queerelations.net
Der Themenblog auf queerelations.net geht nun mit weiteren Beiträgen auf diese Thesen und Ideen ein. Ende März waren es bereits 80 weiterführende Einzelkommentare.
Mit dabei sind Hinweise auf spannende Dokumentationen und Artikel, die unser Thema aufgreifen, wie die englischsprachige BBC-Doku: „Out There" (Teil 1 und Teil 2) von und mit Stephen Fry, der über Ausschreitungen, Gegenreaktionen, Erklärungsmodelle und Erfolgsstories von Queers in England, Iran, USA, Russland, Brasilien und Indien berichtet. Im Themenblog werden auch relevante Ergebnisse des Europarat-Berichts zur Diskriminierung von Minderheiten in Deutschland zusammengefasst, um beispielsweise die Relevanz von Aufklärung im Schulunterricht zu bestätigen.
Hinzu kommen Innenansichten von Queers mit Hilfe von Tagebüchern und Facebook-Einträgen wie von einem Deutschen, der in Brasilien lebt und dort im Angesicht seines umgebrachten Freundes über die Liebe philosophiert (Wie kann man nur hassen, dass Menschen sich lieben?). Auch Beispiele für konkrete Aktionen gegen Queerphobie wie bei einer Transaktivistin im Stadtrat von Shreveport, Lousiana werden berichtet.
Satire in Bild, Ton und Fernsehbeiträgen wie in der heute-show vom 31.01.2014 wird verlinkt und in die Beiträge integriert. Initiativen wie der „Waldschlösschen-Appell" zur angemessenen journalistischen Darstellung queerer Themen oder der Appell zu 15 Unterstützungsaktionen der ugandischen LGBT-Bewegung werden vorgestellt. Dazu kommen Bilder und Grafiken, die das Thema Queerphobie aufgreifen, wie ein Chart über das „Muslim Wheel of Domestic Violence" bei peacefulfamilies.org.
Fazit und Überblick zu Thesen und Ideen
Wer von Kindesbeinen an in einer Welt aufwächst, die heteronormativ geprägt ist, hat verständlicher Weise Vorbehalte gegenüber Queers. Das trifft auf fast alle zu, auch auf jene, die es selbst sind. Les-bi-schwul, transgender, inter- oder asexuell zu sein und etwas anderes als die klassischen Identitäten und Familienbeziehung zu leben, ist nach wie vor eine Herausforderung. Es ist wie die Erforschung unbekannter, weißer Flächen, welche Geografen sich mühsam erarbeiten mussten, bevor sie auf unseren Landkarten sichtbar und als GPS-Signal selbstverständlich wurden. Ähnlich pionierhaft muss man_frau mit anderen sich die Beziehungsansätze erarbeiten, die noch unbekannt sind oder gar Ritualen und Gewohnheiten unserer Gesellschaft zuwider laufen.
Dabei müssen wir das Rad nicht neu erfinden. Schauen wir über den Tellerrand in andere Zeiten, Kulturen und Lebensumstände. Lernen wir aus Höhepunkten und aus Tiefschlägen. Manche Erfahrungen kommen erst wieder durch Filme, Hörspiele, Bücher und Erzählungen in unser Bewusstsein. Die experimentierfreudige Zeit der 68-er Bewegung gehört ebenso dazu, wie die eigene Jugendzeit, in der Ideale und eigen-sinnige Lebensweisen noch beherzter umgesetzt wurden als im postmodernen Zeitalter oder erwachsenen Lebensabschnitt.
Der Umgang mit Queerphobie beginnt bei uns selbst, bei den eigenen Kindern, der eigenen Umgebung. Wir wünschen uns eine umfassende Queerakzeptanz, die große Wellen schlägt, über nationale und kulturelle Grenzen hinaus. Diese Serie besteht nur aus Worten. Lassen wir und Sie gemeinsam diesen Worten konkrete Taten folgen!
Zum Abschluss noch die Links zu allen Thesen und Ideen der letzten 9 Teile:
Definition:
Queerphobie = die "Angst" der Heteronormativen vor Abweichungen
Thesen:
1. Queerphobie ist gesellschaftlich bedingt
2. Queerphobie entsteht aus unreflektierter Wiederholung von Traditionen
3. Queerphobie hilft dabei, bestehende Privilegien zu verteidigen
4. Queerphobie besteht trotz kulturell akzeptierter Ausnahmen
5. Queerphobie braucht positive lebendige Beispiele
6. Queerphobie haben vor allem jene, die selbst versteckt queer sind
7. Queerphobie ist Energievergeudung
8. Queerphobie hat mit der Angst vor Rollenwechseln zu tun
Ideen:
Idee 1: Die eigenen Vorbehalte als Wegweiser zur persönlichen Entwicklung nehmen
Idee 2: Um Verständnis werben und Gesetzesgrundlagen einfordern
Idee 3: Gutes Timing von Aufstand gegen und Kooperation mit der Mehrheitsgesellschaft
Idee 4: Queerphobie kann nur rational UND emotional begegnet werden
Idee 5: Positive Beispiele jenseits der Heteronorm veröffentlichen
Idee 6: Community-übergreifend berichten
Idee 7: Den Promifaktor von Queers und Alliierten nutzen (s.o.)
Idee 8: Queerphobie so früh wie möglich begegnen (s.o.)
Idee 9: Kulturübergreifend dazulernen und nicht von sich auf andere schließen (s.o.)
Dank an das Autoren_innenteam
Auch zum Abschluss nochmal herzlichen Dank für die zahlreichen Hinweise und Verbesserungsvorschläge aus dem queerelations-Redaktionsteam an Dr. Hilmar Sturm, Christian Merten, Elisabeth Raschke, Drew Mazyck, Nicholas Catasso und Dr. Julian Klotz. Darüber hinaus die herzliche Einladung an Sie als Leser_in, weitere Thesen und Ideen, Ergänzungen und Gegenargumente hier oder auf unserem queerelations-Themenblog einzubringen.