Der neueste Trend in den USA soll ja „Digital Detox" sein. Detox steht neuerdings für Diät. Und da fällt es leicht, sich den Rest zusammenzureimen. Es geht natürlich nicht darum, mittels App abzunehmen. Vielmehr soll einfach weniger Zeit mit digitalen Inhalten und Bildschirmen verbracht werden. Und da das offensichtlich dem geneigten US-Amerikaner ohne Anleitung schwer fällt, gibt es das nun als organisierte Gruppenveranstaltung. Ab in die kalifornischen Wälder, beim Einchecken im Digital Detox Camp alles abgeben, was einen ein Screen hat und los geht's mit Meditieren, Wandern und miteinander reden - analog versteht sich, also so richtig von Mensch zu Mensch.
„Disconnect to Reconnect" ist das Motto und damit es nicht nur fernab der Zivilisation funktioniert gibt es auch in den entsprechenden Ballungsräumen von San Francisco und Los Angeles die Partyreihe „UnPlug", um die digital Entschlackten an das im Camp Gelernte zu erinnern. Ach ja: Und der 8. März ist „National Day of Unplugging"... Angeblich schickt sogar Apple seine Mitarbeiter in die Digitaldiätkurse, damit sich das Gehirn endlich mal wieder entspannen und wirklich neue Ideen entwickeln kann.
Tatsächlich gibt es ja immer wieder Forschungsergebnisse, die belegen sollen, wie schädlich der permanente Input von Facebook, Twitter und Co für unsere Gehirne und vor allem für unsere Aufmerksamkeitsspanne ist. Wir befinden uns hier in eine seltsamen Spirale, die nahezu hysterisch von allen Medien gespeist wird und sich dadurch immer schneller dreht. Es ist schwer zu sagen, wie es eigentlich angefangen hat - wahrscheinlich hat es etwas mit Twitter, mit der Einführung der Newsfeeds von Facebook und der Verbreitung von Smartphones zu tun. Jedenfalls gab es irgendwann den Punkt, wo wir alle das Gefühl bekommen haben, wir könnten etwas verpassen, wenn wir nicht alle 30 Sekunden auf unser Telefon schauen. Und weil wir alle 30 Sekunden auf unser Telefon schauen, haben Verlage und sonstige Produzenten von digitalen Inhalten das Gefühl bekommen, diese hektische Mediennutzung bedienen zu müssen.
Deshalb ändern Nachrichtenseiten im 15-Minuten-Takt ihre Überschriften und schieben Artikel hin und her, um Aktualität vorzutäuschen. Deshalb sind selbst unwichtige Neuigkeiten nicht einfach nur Meldungen, sondern werden mit einem hysterischen „Eilmeldung" überschrieben. Diese panische Herangehensweise wird von uns natürlich aufgegriffen und legitimiert ein bisschen den Griff nach dem Telefon, wenn wir gerade nicht so richtig wissen, was wir sonst tun sollen - beim Warten auf den Bus oder den Beginn des Meetings - oder wenn das Gespräch beim Mittagessen gerade ins Stocken geraten ist. Das dieser Griff nach dem Bildschirm oft lächerlich bis traurig ist, zeigt auch der Tumblr „We never look up".
Ist es also auch hierzulande an der Zeit für eine Digitaldiät? Was soll das eigentlich bringen? Ähnlich wie die Lebensmittelindustrie uns immer dicker werden lässt, da sie ungesundes Essen produziert, lässt uns die Internetindustrie stumpfer werden. Und so, wie wir wieder lernen können, wie gesunde Ernährung funktioniert, können wir das analoge Leben wieder schätzen lernen. Also einfach mal den Rechner auslassen. Das Handy beim Abendessen mit der Familie nicht auf den Tisch legen und nicht im Sekundentakt schauen, was auf Facebook los ist (da ist eh nichts los). Klingt eigentlich nach einem sehr umsetzbaren und guten Plan. Dafür muss allerdings keiner ein Wochenende im Wald verbringen. Oder doch?
Aufmerksame Gründer reagieren bereits und arbeitet an neuen Content-Konzepten, die weniger hektisch und oberflächlich sind. So wurde zum Beispiel in den Niederlanden gerade ein neues Online-Magazin per Crowdfunding finanziert, dass jede Woche nur acht Geschichten veröffentlicht. Diese sind dann journalistisch fundiert und machen auch richtig satt. Digitales Low Carb sozusagen.
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