Gebrochene Wahlversprechen, soziale Kälte, Machtkämpfe, Zweitstimmen-Bettelei: Hätte die FDP ein paar fundamentale Fehler nicht gemacht, hätte sie bei der Wahl vielleicht gut 100.000 Stimmen mehr bekommen. Dann hätten die Liberalen - und nicht die SPD - jetzt die alte Bahnhofshalle am Gleisdreieck in Berlin-Kreuzberg anmieten können, um über eine Koalition mit der Union abzustimmen.
"Hätte, hätte... Fahrradkette", würde Ex-SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagen, der auch nicht bekam, was er wollte. So also bleibt der FDP an diesem Wochenende nichts anderes übrig, als auf einem Sonderparteitag am Gleisdreieck aus den Trümmern der abgewickelten Bundestagsfraktion eine neue liberale Bewegung aufzubauen. Ein paar Tage später, am 14. Dezember, werden die Sozialdemokraten an selber Stelle die Stimmzettel ihrer Mitglieder auszählen.
Viele Liberale empfänden es sicher als Genugtuung, wenn das schiefgehen würde. Ein Nein der SPD-Basis zur großen Koalition wäre zudem für die erstmals seit 1949 aus dem Parlament verbannte FDP ein Vorweihnachtswunder, weil es absehbar auf eine Neuwahl hinausliefe.
Das weiß auch Christian Lindner. Er bewahrte im Frühjahr 2012 mit einem grandiosen 60-Tage-Turbo-Wahlkampf in seiner Heimat Nordrhein-Westfalen die Landes-FDP vor dem Untergang und befreite sich persönlich vom Makel des Fahnenflüchtigen. Denn Lindner hatte zuvor in Berlin als Generalsekretär frustriert hingeschmissen.
Ziel: Wiedereinzug in den Bundestag
Das Problem dabei ist, dass seiner Partei im Bund etwa 1400 Tage im politischen und medialen Abseits drohen. Die lange Strecke bis 2017 ist es, die Lindner am meisten besorgt. Als seine Messlatte hat er den Wiedereinzug in den Bundestag genannt. Lindner-Kritiker wie Sachsens Landeschef Holger Zastrow, der 2014 eine von drei Landtagswahlen bestehen muss, sprechen spöttisch von einer ziemlich langen Einarbeitungszeit. "Christian Lindner und ich sind jetzt sozusagen die Trümmerfrauen der FDP", sagte Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki in einem Interview mit der Zeitung "Der Standard".
Tatsächlich muss Lindner schon bei der Europawahl Ende Mai liefern. Die euro-kritische Protestpartei AfD steht bereit, das Erbe der Europa- und Freiheitspartei FDP anzutreten. Scheitert das gelbe Original selbst an der Drei-Prozent-Hürde, könnten die Erosionskräfte zu groß werden.
Der 34-jährige Lindner will seinen NRW-Erfolg nun kopieren. Niemand sonst in der FDP wird diese "mission impossible" zugetraut: die ausgehöhlte Marke FDP wieder attraktiv zu machen. Lindners Fähigkeiten ragen heraus, an Selbstbewusstsein mangelt es ihm nicht. Aber kann der smarte Politologe, Kurzzeit-Unternehmer und Feuilletonist sich auch zurücknehmen, integrieren, die Seele der Partei streicheln? Die Machtbasis ist nach dem Abschied aus dem Bundestag nicht mehr das Berliner Thomas-Dehler-Haus, sondern liegt in den Händen der verbliebenen Liberalen in neun Landesparlamenten.
Kürzlich beim Arbeitgebertag in der Hauptstadt saßen zwei Manager nach einem Lindner-Auftritt zusammen. Sie fanden ihn ganz gut, aber etwas störte sie schon: "Ein bisschen mehr Demut, die Suche nach eigenen Fehler wäre nicht schlecht gewesen", meinte der eine. Und der andere erkannte einen alten Bekannten auf der Bühne wieder: "Das erinnert phasenweise doch an den jungen Westerwelle." Auch wenn Lindner sich längst von seinem Förderer
emanzipiert hat: "Unsere liberale Idee ist nicht gegen sozial Schwächere gerichtet. Wir sind keine Kapitalisten", sagt er.
Genscher-Erbe nicht verspielen
Unkalkulierbar ist, wie die Basis beim Parteitag auf das niederschmetternde Bundestagswahlergebnis von 4,8 Prozent reagiert. Auch Lindner vertrat drei Jahre in Berlin schwarz-gelbe Politik. In Bayern überrumpelte kürzlich ein einfaches Mitglied namens Albert Duin das FDP-Establishment und wurde zum Landeschef gewählt. Auch am Wochenende werden Kampfabstimmungen um die wenigen Spitzenplätze erwartet, die noch Medienpräsenz verheißen. Das Abschneiden von Frank Schäffler wird zeigen, ob Lindner ausreichend Rückhalt für seinen Pro-Europa-Kurs hat. Lindner will das Schäffler-Lager integrieren, ohne das Genscher-Erbe zu verspielen.
Am Samstag betritt zum letzten Mal Philipp Rösler die Bühne. Der Noch-Parteichef und Noch-Vizekanzler spielt in der neuen FDP wie die übrigen Bundesminister keine Rolle mehr. Um die gewünschte Aufbruchstimmung nicht zu gefährden, wird von Rösler erwartet, dass er seine Rede nicht zu einer Abrechnung mit den alten Kollegen wie zuletzt bei einem Auftritt in seiner niedersächsischen Heimat nutzt. Dort klagte der 40-Jährige: "Wenn nur die Hälfte dessen an Charakter, der in diesem Landesverband vorhanden ist, mir auf Bundesebene begegnet wäre, innerhalb und außerhalb der Partei, ich glaube, dann wäre das Ergebnis ein klein wenig anders geworden."
"Hätte, hätte... Fahrradkette", würde Ex-SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagen, der auch nicht bekam, was er wollte. So also bleibt der FDP an diesem Wochenende nichts anderes übrig, als auf einem Sonderparteitag am Gleisdreieck aus den Trümmern der abgewickelten Bundestagsfraktion eine neue liberale Bewegung aufzubauen. Ein paar Tage später, am 14. Dezember, werden die Sozialdemokraten an selber Stelle die Stimmzettel ihrer Mitglieder auszählen.
Viele Liberale empfänden es sicher als Genugtuung, wenn das schiefgehen würde. Ein Nein der SPD-Basis zur großen Koalition wäre zudem für die erstmals seit 1949 aus dem Parlament verbannte FDP ein Vorweihnachtswunder, weil es absehbar auf eine Neuwahl hinausliefe.
Das weiß auch Christian Lindner. Er bewahrte im Frühjahr 2012 mit einem grandiosen 60-Tage-Turbo-Wahlkampf in seiner Heimat Nordrhein-Westfalen die Landes-FDP vor dem Untergang und befreite sich persönlich vom Makel des Fahnenflüchtigen. Denn Lindner hatte zuvor in Berlin als Generalsekretär frustriert hingeschmissen.
Ziel: Wiedereinzug in den Bundestag
Das Problem dabei ist, dass seiner Partei im Bund etwa 1400 Tage im politischen und medialen Abseits drohen. Die lange Strecke bis 2017 ist es, die Lindner am meisten besorgt. Als seine Messlatte hat er den Wiedereinzug in den Bundestag genannt. Lindner-Kritiker wie Sachsens Landeschef Holger Zastrow, der 2014 eine von drei Landtagswahlen bestehen muss, sprechen spöttisch von einer ziemlich langen Einarbeitungszeit. "Christian Lindner und ich sind jetzt sozusagen die Trümmerfrauen der FDP", sagte Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki in einem Interview mit der Zeitung "Der Standard".
Tatsächlich muss Lindner schon bei der Europawahl Ende Mai liefern. Die euro-kritische Protestpartei AfD steht bereit, das Erbe der Europa- und Freiheitspartei FDP anzutreten. Scheitert das gelbe Original selbst an der Drei-Prozent-Hürde, könnten die Erosionskräfte zu groß werden.
Der 34-jährige Lindner will seinen NRW-Erfolg nun kopieren. Niemand sonst in der FDP wird diese "mission impossible" zugetraut: die ausgehöhlte Marke FDP wieder attraktiv zu machen. Lindners Fähigkeiten ragen heraus, an Selbstbewusstsein mangelt es ihm nicht. Aber kann der smarte Politologe, Kurzzeit-Unternehmer und Feuilletonist sich auch zurücknehmen, integrieren, die Seele der Partei streicheln? Die Machtbasis ist nach dem Abschied aus dem Bundestag nicht mehr das Berliner Thomas-Dehler-Haus, sondern liegt in den Händen der verbliebenen Liberalen in neun Landesparlamenten.
Kürzlich beim Arbeitgebertag in der Hauptstadt saßen zwei Manager nach einem Lindner-Auftritt zusammen. Sie fanden ihn ganz gut, aber etwas störte sie schon: "Ein bisschen mehr Demut, die Suche nach eigenen Fehler wäre nicht schlecht gewesen", meinte der eine. Und der andere erkannte einen alten Bekannten auf der Bühne wieder: "Das erinnert phasenweise doch an den jungen Westerwelle." Auch wenn Lindner sich längst von seinem Förderer
emanzipiert hat: "Unsere liberale Idee ist nicht gegen sozial Schwächere gerichtet. Wir sind keine Kapitalisten", sagt er.
Genscher-Erbe nicht verspielen
Unkalkulierbar ist, wie die Basis beim Parteitag auf das niederschmetternde Bundestagswahlergebnis von 4,8 Prozent reagiert. Auch Lindner vertrat drei Jahre in Berlin schwarz-gelbe Politik. In Bayern überrumpelte kürzlich ein einfaches Mitglied namens Albert Duin das FDP-Establishment und wurde zum Landeschef gewählt. Auch am Wochenende werden Kampfabstimmungen um die wenigen Spitzenplätze erwartet, die noch Medienpräsenz verheißen. Das Abschneiden von Frank Schäffler wird zeigen, ob Lindner ausreichend Rückhalt für seinen Pro-Europa-Kurs hat. Lindner will das Schäffler-Lager integrieren, ohne das Genscher-Erbe zu verspielen.
Am Samstag betritt zum letzten Mal Philipp Rösler die Bühne. Der Noch-Parteichef und Noch-Vizekanzler spielt in der neuen FDP wie die übrigen Bundesminister keine Rolle mehr. Um die gewünschte Aufbruchstimmung nicht zu gefährden, wird von Rösler erwartet, dass er seine Rede nicht zu einer Abrechnung mit den alten Kollegen wie zuletzt bei einem Auftritt in seiner niedersächsischen Heimat nutzt. Dort klagte der 40-Jährige: "Wenn nur die Hälfte dessen an Charakter, der in diesem Landesverband vorhanden ist, mir auf Bundesebene begegnet wäre, innerhalb und außerhalb der Partei, ich glaube, dann wäre das Ergebnis ein klein wenig anders geworden."