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Pistorius: Zeugin hörte in der Tatnacht "schreckliche Schreie und Schüsse"

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PRETORIA - Starverteidiger Barry Roux demonstriert schnell, warum ihn Staatsanwälte fürchten. "Warum glauben Sie, dass Ihr Ehemann ehrlich ist?", fragt der Verteidiger von Oscar Pistorius die Zeugin. "Wir sind 20 Jahre zusammen und ich weiß, dass er ehrlich ist", antwortet sichtlich aufgewühlt Michelle Burger, nachdem Roux sie zuvor mit einer Reihe immer neuer, verwirrender Fragen bombardiert hatte. "Sie spekulieren", wirft er ihr vor, "sie versuchen, ihre Erinnerungslücken zu schließen."

Oft lässt Roux die Zeugin seine Frage wiederholen, ständig fragt er nach ihren Gefühlen und Ängsten, ob sie sich wirklich sicher sei. Es gibt nicht viele Menschen, die diese hämmernden Fragen nicht verunsichert hätten. Aber die Wirtschaftswissenschaftlerin von der Universität Pretoria lässt sich in dem zweistündigen Kreuzverhör kaum beirren, weicht nicht von ihrer für Pistorius so schmerzlichen Aussage ab: Sie habe in der Tatnacht schreckliche Schreie und Schüsse im Haus des südafrikanischen Paralympics-Stars gehört - auch wenn ihr Domizil in der geschlossenen Wohnanlage Silver Woods Country Estate gut 170 Meter entfernt liegt. Aber es war eine warme Sommernacht, auch bei den Burgers standen die Fenster offen.

Der Anwalt des wegen Mordes angeklagten Sportlers weiß, wie gefährlich gleich die erste Zeugin der Anklage - von insgesamt 107 Zeugen - für Pistorius werden kann. Käme zu dieser Aussage noch ein weiterer glaubwürdiger Beleg für einen heftigen Streit im Hause des Angeklagten, könnte seine ganze, für viele Außenstehende unglaubliche Geschichte wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Also müssen der 27-Jährige und seine Verteidiger in dem auf drei Wochen angesetzten Prozess verhindern, dass die Staatsanwaltschaft die Schilderung des behinderten Sportidols als Märchen erscheinen lässt.

Pistorius hatte bisher stets behauptet, es habe in der Nacht des 14. Februar 2013 keinen Streit mit seine Freundin Reeva Steenkamp gegeben. Auch will er die Schüsse kurz hintereinander abgegeben haben
- durch eine verschlossene Badezimmertür, hinter der er einen Einbrecher vermutete. Das alles passt kaum zu den Wahrnehmungen der Zeugin Burger.

Allerdings wird in Südafrika immer heftiger diskutiert, wieso Pistorius selbst im Falle eines Verbrechers in seiner Wohnung das Recht gehabt hätte, diesen mit vier Schüssen zu töten. "Zu viele Männer in Südafrika befinden sich in einem hochgereizten Zustand, in dem sie erst handeln und dann nachdenken", beschrieb die Schriftstellerin Margie Orfold in der "Sunday Times" Urängste der weißen Minderheit vor den Schwarzen im Land. Genau mit dieser Geisteshaltung habe Pistorius - im besten Fall - gedacht und gehandelt, meinte die Autorin. Der Athlet müsse deshalb auch dann streng bestraft werden, wenn er wirklich dachte, hinter der Toilettentür habe sich "nur ein Einbrecher" befunden.

Schon der Vater des Angeklagten, Henke Pistorius, hatte versucht, das Verhalten seines Sohn mit dem Verweis auf die unbestritten hohe Gewaltkriminalität in Südafrika zu erklären. Jährlich kommen etwa 15 000 Menschen in Südafrika durch Gewalt ums Leben - bei 51 Millionen Einwohnern. In Deutschland starben etwa 2100 Menschen (2012) wegen Mordes und Totschlags - bei 82 Millionen Einwohnern.




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